Im Machtdreieck zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der EU-Kommission gibt es eine klare Aufgabenverteilung. Den beiden erstgenannten Institutionen obliegt als gemeinsamer Gesetzgeber gemäß den Artikeln 251 und 252 EU-Vertrag die alleinige Kompetenz, europäische Rechtsakte zu erlassen, während der EU-Kommission als "Hüterin der Verträge" die Rolle der Exekutive zufällt. Allerdings kann das Europäische Parlament Artikel 192 EUV zufolge mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Kommission zur Vorlage von Gesetzestexten auffordern, wenn es einen entsprechenden Handlungsbedarf sieht. Die EU-Kommission hat ihrerseits das Initiativmonopol für Gesetzgebungsvorschläge, sie kann zudem Empfehlungen formulieren oder Stellungnahmen abgeben, so wie dies beispielsweise in Artikel 211 EUV festgelegt ist, um ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten.
Im Gegensatz zum Europäischen Parlament als der einzigen demokratisch unmittelbar legitimierten EU-Institution sind der Rat und die Kommission jedoch nur mittelbar legitimiert. Anders als der Deutsche Bundestag gegenüber der Bundesregierung verfügt das Europäische Parlament allerdings nur über begrenzte Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der EU-Kommission. Dies ist eines der strukturellen Hauptdefizite in der europäischen Verfassungsarchitektur, das durch die EU-Verfassung korrigiert werden soll. Denn diese sieht nicht nur die Wahl des zukünftigen Kommissionspräsidenten durch das Parlament vor, sondern auch ein formelles Fragerecht ebenso wie die Bestätigung der Kommission als Ganzes durch das Europäische Parlament. Politische Sündenfälle wie 1999, als die Europäische Volkspartei zwar mit 232 Abgeordneten als stärkste Fraktion aus den Wahlen zum Europäischen Parlament hervorging, die EU-Staats- und Regierungschefs aber eine mehrheitlich links dominierte Kommission ernannten, wären damit praktisch ausgeschlossen.
Artikel 25, Absatz 5 des Verfassungsentwurfs würde aber noch ein weiteres Grunddefizit im europäischen Gesetzgebungsprozess beheben, denn er legt die politische "Verantwortung der Kommission als Kollegium gegenüber dem Europäischen Parlament" fest. Derzeit fehlt es indes gerade an einer wirksamen Kontrolle der Kommission und ihrer einzelnen Mitglieder, nicht zuletzt durch deren Präsidenten Romano Prodi selbst. So sollen laut Artikel 219 EUV alle Beschlüsse der Kommission nur durch ein Mehrheitsvotum erfolgen, in der Realität haben sich aber viele Kommissare schon längst verselbständigt und eine politisch bedenkliche Neigung zu immer abseitigeren Politikentwürfen entwickelt.
Diese Aussage lässt sich anhand zahlreicher Beispiele aus der europapolitischen Realität belegen. Dabei richtet sich die noch bis Herbst amtierende Kommission nach einem klar definierten Menschenbild, das demjenigen eines mündigen und eigenverantwortlich handelnden Bürgers widerspricht. Sie verfolgt deshalb ein entsprechend einseitiges Politikkonzept, dessen negative Auswirkungen auf die Freiheit der Bürger wie der Unternehmen anschließend durch das Europäische Parlament im komplizierten Zusammenspiel mit dem Rat wieder "repariert" werden müssen. So verstößt das von EU-Kommissar David Byrne initiierte allgemeine Rauchverbot ganz klar gegen das Subsidiaritätsprinzip, denn es besteht keine EU-Kompetenz darüber, ob ein Gastwirt sein Lokal rauchfrei gestaltet oder nicht. Dies können allenfalls die Mitgliedstaaten selbst regeln.
Ein weiteres prägnantes Beispiel ist die so genannte Verbraucherkreditrichtlinie: Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag sah vor, die Kreditvergabe so zu bürokratisieren, dass Kleinkredite für Normalbürger erschwert beziehungsweise kaum noch möglich gewesen wären. EU-Kommissar Byrne, stets besonders bemüht um das Wohl des Verbrauchers, hatte dessen Schutzinteresse so überbetont, dass die Kreditvergabe an Einkommensschwächere faktisch zum Erliegen gekommen wäre. Im zähen Kampf mit der Kommission und durch Hunderte von Änderungsanträgen gelang es dem Parlament schließlich in erster Lesung, Kleinkredite bis zu 500 Euro ganz aus der Richtlinie herauszunehmen und stattdessen für alle übrigen Kredite klare, EU-weit vergleichbare Informationskriterien über Laufzeiten, tatsächliche Kosten usw. festzulegen.
Ähnlich ist die Situation bei der von Byrne propagierten Einschränkung von Werbebotschaften auf ihren wissenschaftlich nachweisbaren Wahrheitsgehalt. Auch hier tut sich die Kommission durch einen geradezu zwanghaften Verbraucherschutz hervor, denn ginge es nach ihr, sollen Werbeaussagen, dass Süßigkeiten glücklich oder Joghurt schlank machen, einfach verboten werden. Dank des Widerstands von Parlament und Rat hat die Kommission inzwischen bereits ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof wegen ihrer Tabakwerbeverbote verloren, während die von Kommissar Byrne geforderte Zensur von Werbeaussagen sogar bei den Sozialisten im Europäischen Parlament auf Widerstand stößt.
Der Kommission geht es aber nicht nur um einen völlig überzogenen "Schutz" des Verbrauchers, sondern auch um eine möglichst große Bevormundung von Unternehmern. Da will die grüne Umweltkommissarin Margot Wallström mit einem bürokratischen Monstrum wie der Chemikalienverordnung auf über 1.000 Seiten festlegen, wie sämtliche von der chemischen Industrie zum Teil seit Jahrzehnten problemlos verwendeten Stoffe auf ihr Gefährdungspotential hin untersucht und anschließend registriert werden sollen. Unabhängig vom tatsächlichen Risikopotential einer Substanz würden hier mehrere Milliarden Euro für Zertifizierungen verpulvert, mit dem Ergebnis, dass Millionen von Arbeitsplätzen gemeinsam mit der entsprechenden Produktion dieses zweitgrößten EU-Wirtschaftszweiges einfach ins weniger reglementierte Ausland verlagert würden. Gemäß alter sozialistischer Denkschule will die Kommission jedoch alle eingesetzten Grundstoffe ab einer bestimmten Menge registrieren und evaluieren lassen, anstatt über einen Risiko basierten Ansatz für den Ausgleich zwischen Umweltschutz und Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen.
Auch bei der Schaffung eines einheitlichen europäischen Zahlungsraums als logischer Folge des EU-Binnenmarkts mit dem Euro als gemeinsamer Währung erweist sich die Kommission im Gegensatz zum Parlament als Bremser anstatt als Förderer. So sollen Kunden nach ihrem Willen bei Kartenverlust und anschließender Vernachlässigung ihrer Meldepflicht zur Kartensperrung nur bis zu einer Schadenssumme von 150 Euro haften müssen, die darüber hinausgehenden Kosten also von der Allgemeinheit getragen werden. Das Europäische Parlament schlägt dagegen eine europaweite Notfallnummer bei Kartenverlust und mehr Wettbewerb zwischen den Banken durch Selbstregulierung vor.
Die EU-Kommission in ihrer jetzigen Zusammensetzung gefährdet das Ideal des freien und eigenverantwortlichen Bürgers. Und diese alarmierende Entwicklung lässt sich nur dann korrigieren, wenn die freiheitlichen Kräfte im Parlament möglichst stark sind und dieses in alle Entscheidungsverfahren einbezogen wird. Der Vorsitzende der EVP-ED-Fraktion, Hans-Gert Pöttering (CDU), setzt sich darum ebenso wie die Vorsitzenden der mit 53 Abgeordneten stärksten nationalen Delegation im Europäischen Parlament, Hartmut Nassauer (CDU) und Markus Ferber (CSU), für die zügige Verabschiedung der im Verfassungsentwurf vorgesehenen Reformansätze ein. Selbst eine Ausweitung der schon jetzt bestehenden Kompetenz des Parlaments, einen Misstrauensantrag gegen die Kommission als Ganzes zu stellen auch gegen einzelne Kommissare, wäre hier durchaus denkbar. Denn ohne ein entsprechendes Korrektiv droht die einseitige und überzogene Ausrichtung der EU-Kommission für eine negative Prägung des Europabildes zu sorgen.
Der Verfasser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament.