Einst war das deutsche Universitätsmodell ein Exportschlager, nun droht es zum Ladenhüter zu werden. Galt Deutschland im 19. Jahrhundert noch als die Wissenschaftsnation schlechthin, an der sich andere Länder orientierten, leistet sich die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt heute Zustände an ihren Universitäten, welche die eigene Wissenselite aus dem Land treiben: Professoren gehen in die USA, nach Großbritannien oder in die Schweiz - und der Nachwuchs folgt spätestens zur Promotion.
Die Probleme sind schnell benannt: Der deutsche Durchschnittsstudent wird mit 29 Jahren fertig - wenn überhaupt. Rund 40 Prozent der Studienanfänger verlassen die Universität ohne Abschluss. Doch die Schuld für die Misere trifft nicht allein die Studierenden: Die Studienstruktur ist oft schwer durchschaubar, Betreuung für viele Dozenten eine lästige Pflicht. Über das Budget der Hochschulen und damit ihr Angebot wird in Ministerien entschieden, nicht vor Ort. Die Folge: Es gibt nur wenige Spitzeneinrichtungen - und umso mehr Mittelmaß.
Wie sieht der Weg aus der Krise aus: mehr Geld, mehr Wettbewerb, andere Strukturen? Über die "richtigen" Reformen wird in Deutschland erbittert gestritten - und das nicht erst seit der Initiative der Bundesregierung zur Förderung von Spitzenuniversitäten.
Sollen hiesige Hochschulen im internationalen Wettbewerb mithalten, müsse sich Deutschland zunächst von einigen Illusionen verabschieden, betont Martin Spiewak in seinem Essay. Nicht alle Hochschulen, Fakultäten, Professoren und Studenten in der Republik erbrächten die gleiche Leistung - und dies sei auch gar nicht notwendig. Was Deutschland fehle, sei Mut zur Ungleichheit.
Doch Reformpläne sind schneller formuliert als im Widerstreit zwischen Ministerien, Fakultäten und einzelnen Lehrstühlen umgesetzt: Seit 1999 wurden in Deutschland beispielsweise mehr als 1 200 Bachelor- und Master-Studiengänge eingerichtet. Aber noch ist unklar, wo die Absolventen eingesetzt werden können, wie Barbara Kehm zeigt. Und so erreichen die neuen Studiengänge bisher nur sechs Prozent der Studierenden.
Für die Zukunft der Universitäten dürfte es entscheidend sein, ob es ihnen gelingt, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen, glaubt Michael Leszczensky. Erste Schritte sind getan: Nordrhein-Westfalen hat den Wettbewerb um Geld eröffnet, Bremen die erste Privatuniversität mit Gebühren angeschoben, und in Niedersachsen sind bereits Stiftungshochschulen entstanden. In der Hochschulfinanzierung, so der Autor, zeichne sich ein Paradigmenwechsel ab.
In den USA führe der intensive Wettbewerb um Spenden und Drittmittel dazu, dass die Qualität im Hochschulwesen permanent thematisiert wird, betont Hans N. Weiler. Konsequent werde dort die Verteilung von Ressourcen eingesetzt, um Leistung zu fördern.
Unternehmen und Absolventen beklagen gleichermaßen, dass deutsche Hochschulen zu wenig auf den Berufsalltag vorbereiteten. Noch immer seien viele Studienordnungen auf die Ausbildung wissenschaftlichen Nachwuchses angelegt, obwohl nur wenige Studierende eine Forscherkarriere anstrebten, so Gert G. Wagner. Viele der geforderten Kompetenzen ließen sich ohnehin nur in der unternehmerischen Praxis erlernen.
Andrée Sursock stellt die Frage, inwieweit es wünschenswert wäre, Bildung als handelbare Dienstleistung zu betrachten. Die sich abzeichnende Kommerzialisierung des Hochschulsektors drohe zentrale akademische Werte zu untergraben: den freien Austausch von Forschungsergebnissen, das Vertrauen in die Objektivität der Wissenschaft und einen freien Zugang für alle.