Mit ihrer Zweidrittel-Mehrheit im Bayerischen Landtag muss sich die CSU vor der Opposition nicht fürchten. Die politische Durchschlagskraft von SPD und Grünen verpufft oft wirkungslos, wenn die Regierungsseite Kritik und Anträge ins Leere laufen lässt. Trotzdem ist die Staatsregierung bei ihrem Vollgas-Kurs in Richtung Einsparungen und Verwaltungsreform von Oppositionellen hart ausgebremst worden: Die Akteure kamen aus der eigenen CSU-Fraktion.
Die 124 Köpfe starke Mannschaft steht zwar geschlossen hinter dem anspruchsvollen Spar- und Modernisierungskurs von Regierungschef Edmund Stoiber, aber eben nur grundsätzlich. Die Art und Weise von teilweise wenig durchdachten und überhasteten Schritten hat heftigen Unmut ausgelöst, den die CSU-Abgeordneten in ihren Stimmkreisen, wo sie meist auch Kreisvorsitzende ihrer Partei sind, zu spüren bekommen.
Politisch in der Staatskanzlei festgezurrte Entscheidungen wie die zunächst geplante - auf Druck der CSU-Fraktion dann aber aufgegebene - Privatisierung der Staatsforstverwaltung oder die Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts bis zum Juli 2006 sorgen zwar für "tiefgreifende Irritationen" in der CSU-Anhängerschaft, wie es ein Partei-Oberer ausdrückte, haben letztlich aber nur minimale Einspareffekte. Der Ärger ist um so größer, weil die Betroffenen zum Teil nicht einmal angehört worden sind. Und enttäuscht zitierten die Reform-Opfer den für die Details zuständigen Reform-Minister und Staatskanzleichef Erwin Huber mit dem Ausspruch: "Wer den Sumpf trockenlegen will, darf die Frösche nicht fragen."
Besonderen Frust in der überwiegend CSU-frommen Beamtenschaft löste zudem die vom Kabinett beschlossene Verlängerung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst auf 42 Wochenstunden aus. Der Bayerische Beamtenbund hält dies sogar für verfassungswidrig und hat bereits rechtliche Schritte angekündigt. Die Grünen bezweifeln, ob durch längere Arbeitszeiten am Ende wirklich Personalkosten gespart würden, "wenn in den Ämtern die Motivation im Keller ist", wie der Grüne Adi Sprinkart meinte. Auch die Polizeigewerkschaften protestierten über längere Arbeitszeiten sowie eine sich über Monate hinschleppende Strukturreform und sprachen von einer "katastrophalen Stimmung" und einem Vertrauensverlust an der Basis. Der Würzburger CSU-Abgeordnete und Vorsitzende des für den öffentlichen Dienst zuständigen Ausschusses, Walter Eykmann, wird mit der Analyse zitiert, dass die Verluste der CSU bei der Europawahl - Rückfall um 6,6 Punkte auf 57,4 Prozent und eine halbe Million Wähler weniger - "etwas mit dem überhasteten Reformeifer in Bayern zu tun haben".
Andererseits wird in der CSU-Fraktion noch immer ein Konzept der Staatskanzlei für die überfällige so ge-nannte innere Reform der Verwaltung mit Deregulie-rung und Aufgabenabbau vermisst. Fraktionschef Joa-chim Herrmann bestätigte unlängst, dass die Flut ministerieller Schreiben, Verordnungen und Bestim-mungen nicht nachgelassen habe, und kündigte Druck seitens des Parlaments an.
Weniger in der Öffentlichkeit, dafür aber um so heftiger in Kreisen der Justiz wird die von Ministerpräsident Stoiber im November angekündigte und inzwischen in erster Lesung im Landtag behandelte Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts mit seiner fast 400 Jahre alten Tradition kritisiert. "Der Justiz in Bayern wird der Kopf abgeschlagen", formulierte der Vorsitzende des Vereins der Richter und Staatsanwälte in Bayern, Oberstaatsanwalt Horst Böhm, drastisch. Ein immer breiter werdender, sogar bundesweiter Rettungsversuch ist inzwischen angelaufen, und die Unterstützer entdeckten eine Stoiber-Rede aus dem Jahr 2000, in der das "Bayerische Oberste" noch als "Symbol der Eigenstaatlichkeit Bayerns" und "wichtiger Garant einer unabhängigen Justiz" gerühmt wird. Tatsächlich haben die Urteile dieses Gerichts auf wichtigen Spezialgebieten bundesweite Bedeutung. Der Einsparungseffekt durch eine Abschaffung wurde mit lediglich 1,5 Millionen Euro jährlich angegeben.
Doch eine Rettung dürfte es nicht geben, die CSU-Fraktion hat dem Aus auf Druck von Stoiber - wenn auch teilweise zähneknirschend - bereits im März zugestimmt. Mehr Erfolg hatten die Parlamentarier, als sie sich gegen die gleichfalls forsch verkündete Abschaffung der Regionalen Planungsverbände stemmten, in denen die Kommunen ihre Entwicklung miteinander abstimmen. Nach einer Anhörung bleiben die Verbände nun doch erhalten, nur ihre Aufgaben und die Abläufe sollen gestrafft werden.
Mittlerweile hat die CSU-Fraktion auch dafür gesorgt, dass das übermäßige Reformtempo heruntergefahren wurde und die einzelnen Maßnahmen ausführlicher und ergebnisoffener diskutiert werden. Die Staatskanzlei lenkt offenbar ein und will statt fertiger Konzepte auch Alternativen vorlegen. Damit kommt freilich der Fahrplan etwas durcheinander, nach dem die wichtigsten Teile der umfassenden Verwaltungs-Erneuerung bereits bis zur Sommerpause abgehakt sein sollten.
Besonders intensiv beschäftigen sich die Abgeordneten mit der wichtigen Polizeireform, die sich Innenminister Günther Beckstein von der Staatskanzlei nicht aus der Hand hatte nehmen lassen. Mit Kosten-Nutzen-Berechnungen und Effizienz-Analysen soll diesmal ganze Arbeit geleistet werden. Damit wird eine Ent-scheidung über die künftige Struktur erst im Herbst fallen. Beckstein favorisiert dem Vernehmen nach statt des bisher vierstufigen einen dreistufigen Aufbau der Polizeiverwaltung. Bei diesem Modell würden sieben Präsidien und 35 Direktionen durch wenigstens zwölf regionale Sicherheitszentren ersetzt werden bei gleich-zeitiger Kompetenzerweiterung der Inspektionen. Mit-telfristig sollen auf diese Weise mehr als 400 Stellen eingespart werden können. Die CSU-Fraktion will alles sorgfältig prüfen.