Wenn am 17. Oktober in Belarus (Weißrussland) ein neues Parlament gewählt wird, sind Abgeordnete aus den Mitgliedsstaaten der OSZE mit dabei - natürlich nicht als Wähler oder Kandidaten. Sie beobachten, ob bei der Wahl alles mit rechten Dingen zugeht. Und um nicht naiv allein auf die Abläufe am Wahltag zu schauen, sind sie bereits drei Monate vorher "vor Ort".
"Natürlich wissen wir auch, dass die demokratischen Standards unter der Präsidentschaft von Lukaschenko nicht eingehalten worden sind", räumt Uta Zapf ein. Die deutsche SPD-Abgeordnete engagiert sich schon seit Jahren für die Demokratisierung der ehemaligen Sowjetrepublik. Doch die Politikerin wendet sich dagegen, allein nach einem Schwarz-Weiß-Schema über die Entwicklung in Europas letztem totalitären Staat zu urteilen. "Verhandlungen und eine schrittweise Annäherung sind zwar mühsam, aber sie bieten zumindest die Chance für Verbesserungen. Dabei müssen wir immer wieder den Finger in die Wunde legen und unsere Kritik offen vortragen."
Die Politik des Aushandelns war bei der jüngsten Jahresversammlung der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE-PV) in Edinburgh wieder gefragt. In einem Resolutionsentwurf zu Belarus hatte Uta Zapf als Vorsitzende der zuständigen Arbeitgruppe Verstöße gegen demokratische Standards bei der bisherigen Wahlvorbereitung angeprangert: Behinderung der Oppositionskandidaten bei Auftritten in den Medien und bei Wahlveranstaltungen, das Verbot von Nicht-Regierungsorganisationen als Rückschlag beim Aufbau der Zivilgesellschaft und Verwicklung bis hin zur Beteiligung an der Ermordung und Entführung prominenter Oppositioneller. Diese Kritik wollte die offizielle Belarus-Delegation bei der Parlamentarierkonferenz verhindern. In Verhandlungen wurde der Resolutionsentwurf durch eine gemeinsame Erklärung ersetzt, in der sich die Arbeitsgruppe wie auch die offiziellen Vertreter von Belarus verpflichten, zu freien Wahlen nach den OSZE-Standards beizutragen. Ist diese Zusage denn aus einem Land, in dem Oppositionelle sogar verschleppt werden, überhaupt etwas Wert? "Wir reichen den Abgeordneten aus Belarus mit der Erklärung die Hand", sagt Uta Zapf. "Aber hinterher muss überprüft werden, ob sich tatsächlich etwas geändert hat."
Für diejenigen, die sich nach einer alle Probleme lösenden "Machtwort"-Politik sehnen, wird sich der Wert parlamentarischer Arbeit in internationalen Zusammenhängen nur schwer erschließen. Sie besteht in vielen kleinen Schritten - überzeugen statt verordnen. "Das Vertrauen dafür entwickelt sich nur im persönlichen Umgang", berichtet der Vizepräsident der OSZE-PV, der deutsche Abgeordnete Gert Weisskirchen. Ohne die persönlichen Gespräche zwischen den Politikern fehle die Basis für eine gemeinsame Politik.
Weisskirchen engagiert sich seit 1994 in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. Vizepräsident ist er seit 2002. Die aktuelle Jahresversammlung hat eine von ihm gemeinsam mit einem französischen und einem amerikanischen Kollegen initiierte Resolution zum "Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass" angenommen. Welche Aufträge daraus zuerst umgesetzt werden sollen, werden die Vertreter der nationalen Regierungen beraten. Im Herbst wird dann voraussichtlich eine Anhörung im Bundestag den Abgeordneten Gelegenheit bieten, von Experten Rat für die konkreten Schritte im Kampf gegen Antisemitismus zu bekommen. Ähnlich soll das Verfahren auch in anderen Ländern laufen.
Die Arbeit der OSZE-Parlamentarierversammlung wird wesentlich von drei Ausschüssen getragen. Zur Vorsitzenden des Menschenrechts-Ausschusses wurde die Bundestagsabgeordnete Claudia Nolte (CDU/CSU) gewählt. Wichtige Ziele ihrer Amtsführung seien die Förderung des Dialogs und das Erarbeiten von Kompromissen, erläuterte die Politikerin. Vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Erfahrungen im Transformationsprozess der ehemaligen DDR könne sie sich besonders gut in die Probleme osteuropäischer Länder hineinversetzen. "Die OSZE bietet für die 55 Mitgliedsstaaten ein regelmäßiges Forum zur Beratung nicht nur der Sicherheitspolitik im engeren Sinne, sondern greift auch langfristige Entwicklungen und Bedingungen in den Mitgliedsstaaten auf, zum Beispiel die Umsetzung der Menschenrechte, die in einem Bereich liegen, der bestimmend für die Sicherheitspolitik werden kann", so Nolte. "Da die OSZE-PV als begleitende Versammlung der Parlamentarier nicht dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegt, kann sie oft kritischer Themen durch Mehrheitsentscheidungen ansprechen." Besonders will Nolte sich für die Entwicklung der Republik Moldau einsetzen, die von Konflikten um das abgetrennte Gebiet Transnistrien erschüttert wird. Für dieses Thema engagiert sich die Abgeordnete auch im Bundestag, der erst vor der Sommerpause mit den Stimmen aller Fraktionen eine Entschließung dazu verabschiedet hat.
Im Herbst nimmt der kritische Blick der internationalen Wahlbeobachter erstmals auch das traditionelle demokratische Musterland ins Visier: Die USA haben Beobachter für ihre Präsidentschaftswahlen im November angefordert. Wer mitwirkt, steht noch nicht fest. Bärbel Schubert