Oft beschworen, aber kaum jemals erreicht: Ein Staats-Etat ohne Neuverschuldung. Mit dem neuen bayerischen Doppelhaushalt 2005/06, der nach der Einbringung durch Finanzminister Kurt Faltlhauser nun im Landtag beraten wird, schafft Bayern dieses Ziel wie anvisiert im Jahr 2006. Die heutige Generation dürfe nicht dauerhaft mehr verbrauchen als sie leiste, betonte der Minister, Verteilungskonflikte dürften nicht im Wege der Verschuldung auf dem Rücken der Kinder und Kindeskinder ausgetragen werden. Dagegen kritisierte die Opposition aus SPD und Grünen, dass der eingeschlagene drastische Sparkurs auf Kosten der Bürger gehe, die verstärkt zur Kasse gebeten würden. Das Ziel, ohne neue Schulden auszukommen, würde auch nur durch "Taschenspielertricks" erreicht.
Vor dem Hintergrund einer deutschlandweit überwiegend desolaten Finanzsituation mit Rekordverschuldungen - "der Bund und einige Länder sind meilenweit entfernt von einem verfassungsmäßigen Haushalt" - hob Faltlhauser hervor, dass Bayern den ausgeglichenen Haushalt 2006 "aus eigener Kraft" erreiche. Dies sei möglich geworden, weil der Freistaat beständig den "beschwerlichen Weg der haushaltspolitischen Solidität" gegangen sei: Mit den Überschüssen in guten Jahren habe man auch Schulden zurückgezahlt und Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet, außerdem in einem Kraftakt seit 2004 ein Konsolidierungsvolumen von 2,1 Milliarden Euro gestemmt.
Der neue Doppelhaushalt unter den Vorgaben "Sparen, Reformieren, Investieren" sieht Ausgaben (bereinigt, das heißt ohne durchlaufende Bundesmittel) von 34,4 Milliarden Euro 2005 (plus 2,6 Prozent) und 34,7 Milliarden 2006 vor (plus 0,9 Prozent). Die Ressorts müssen den Gürtel erneut enger schnallen: 2005 sollen zusätzlich 262 Millionen Euro eingespart werden, im darauffolgenden Jahr noch einmal 64 Millionen. Trotz aller Konsolidierungen will die Staatsregierung im Haushalt 2006 noch eine Investitionsquote von 12,4 Prozent ausweisen (Bundesländer West im Durchschnitt 10,3 Prozent), was aber angesichts der früheren 15 Prozent von Faltlhauser selbst als ein "unbefriedigend niedriges Niveau" angesehen wird, das wieder anzuheben sei.
Dank der weit und breit geringsten Pro-Kopf-Verschuldung von 1.638 Euro (NRW: 5.270, Bremen 16.003 Euro) drückt 2005 die Zinslastquote nur mit 3,2 Prozent (Länder West: 8,8, Bund mehr als 15 Prozent). Gleichwohl wächst die Nettokreditermächtigung im kommenden Jahr durch mehrere Faktoren (weniger Steuern, höhere Leistungen für die Kommunen, wachsende Ausgaben im Sozialbereich) noch einmal auf 1,1 Milliarden Euro an, bevor dann 2006 der Ausgleich erstmals ohne neue Schulden gelingen soll.
Der Finanzminister gehe nicht zur Bank, sondern setze ausschließlich eigene Mittel des Freistaats ein, sagte Faltlhauser. Er will dafür Grundstockmittel (aus Veräußerungen von Eon-Anteilen und Immobilien) nutzen, die entweder für Investitionen und Umfinanzierungen dienen oder in späteren Haushalten wieder in den Grundstock zurückfließen.
Als besondere politische Schwerpunkte im Doppelhaushalt stellte der Finanzminister die Bereiche Bildung und Wissenschaft mit deutlich überdurchschnittlichen Steigerungsraten von 4,3 beziehungsweise 6,9 Prozent heraus. Für die Schulen gebe es insgesamt 887 zusätzliche "Unterrichtskapazitäten" (aus 241 zusätzlichen Stellen und der angehobenen Lehrerarbeitszeit, die umgerechnet 646 Stellen entsprechen soll). Für die Kinderbetreuung sind 2005 rund 627,5 Millionen und im folgenden Jahr 645 Millionen Euro vorgesehen.
Dessen ungeachtet, bemängelte die Opposition, dass nicht mehr Mittel in diese sensiblen Bereiche flössen. SPD-Fraktionschef Franz Maget warf der CSU vor, dass in der bayerischen Schulpolitik der Rotstift regiere, die Klassen zu groß seien, es zu wenig Lehrer gebe und "massenhaft" Unterricht ausfalle. So forderte die SPD für die nächsten fünf Jahre eine zusätzliche "Bildungsmilliarde". Wasser auf die Oppositionsmühlen war das Anschreiben einiger Schuldirektoren an die Eltern mit der Bitte, sich im Fall etwaiger Lehrerausfälle als Aushilfen zur Verfügung zu stellen.
Der SPD-Haushaltspolitiker Heinz Kaiser kritisierte, dass vom Doppelhaushalt nur ein schwacher konjunkturpolitischer Impuls ausgehe. Er erneuerte die SPD-Forderung, mit der Privatisierung der noch in Staatsbesitz befindlichen 4,9 Prozent Eon-Anteile ein Programm "Offensive Infrastruktur Bayern" mit einem investiven Volumen von insgesamt zwei Milliarden aufzulegen, um für mehr Wachstum und Arbeitsplätze zu sorgen.
Der Haushaltspolitiker der Grünen, Thomas Mütze, sprach von einem "Doppelhaushalt mit doppeltem Boden", das "Propaganda-Ziel" des Haushalts ohne Neuverschuldung im Jahr 2006 werde nur auf dem Papier erreicht. Faltlhauser erkaufe sich dieses Ziel mit einer enormen Nettoneuverschuldung im Jahr davor, mit Abgabenerhöhungen - beispielsweise Büchergeld für Schülereltern - und dem Rückgriff auf das Grundstockvermögen. Außerdem bezweifelte Mütze, dass Verzicht auf neue Schulden nach dem Bundestagswahljahr 2006 überhaupt noch Bestand habe.
Der CSU-Haushaltsexperte Manfred Ach konterte mit seiner Gleichung "Schuldenfreier Haushalt, weniger Zinsen, mehr Investitionen". Dagegen münzte er auf die Grünen die Gleichung: "Mehr Schulden, mehr Zinsen, kein Spielraum mehr."