Für die meisten Bürger ist der Staat ein abstraktes Gebilde. Verwirrend, mächtig und ziemlich weit weg. Wenn das Infomobil des Deutschen Bundestages aber in Potsdam, Magdeburg oder Helmstedt auftaucht, erleben die Bürger 26 Tonnen Demokratie zum Anfassen. "Kaum zu glauben, Sie kommen hierher, zu uns?", heißt es nicht selten. "Die Menschen suchen Ansprechpartner und finden sie bei uns", sagt Gabriele Kienitz, die seit sieben Jahren die Informations-Tour des Parlaments organisiert.
Auf dem Spezialfahrzeug, das von März bis Oktober nach einer festgelegten Route durch ganz Deutschland rollt, ist eine klar strukturierte Ausstellung zum Deutschen Bundestag zu sehen. Sie erklärt: Wie funktioniert Mitwirkung? Was sind Wahlkreise? Und wann ist eine Partei eine Fraktion? Ergänzend laufen Filme zur deutschen Geschichte, zum Amt des Bundestagspräsidenten, zur Konstituierung und Entwicklung der Demokratie. Extra für Kinder gibt es den Film "Politibongo". Darin wird erklärt, was eigentlich Politik ist, wie sie funktioniert und was Abgeordnete machen.
Neben der Wissensvermittlung geht es Gabriele Kienitz und ihren Mitarbeitern vor allem darum, das Interesse der Bürger für Politik zu wecken, ihnen bisweilen in problematischen Lebenslagen zu helfen. Die Mitarbeiter erklären den Leuten bei speziellen Fragen, wer für sie zuständig ist, welches Amt, welcher Bezirk, welches Organ; schlagen in bestimmten Fällen vor, ein Schreiben an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zu richten. Viele Menschen wissen einfach nicht, an wen sie sich wenden sollen, berichtet Kienitz und erzählt dann von dem Fall einer älteren Frau, die darüber klagte, dass sie trotz wiederholter Anträge keinen Gehhilfewagen bekäme. Die Mitarbeiter des Infomobils - es sind stets drei anwesend - machten sofort den Abgeordneten des Wahlkreises auf den "Fall" aufmerksam: Zwei Tage später war der Gehhilfewagen da. Die Frau bedankte sich mit einem Kuchen. "So wird Politik konkret", sagt Gabriele Kienitz. Und auch sonst nutzen die Wahlkreisabgeordneten häufig die Plattform des Infomobils, suchen die Bürgernähe, diskutieren mit den Leuten. Doch zur Demokratie gehört auch, dass jeder seine Meinung sagen kann. "Wenn es laut wird bleiben wir ruhig und versuchen zu erklären. Parteipolitisch sind wir natürlich neutral", sagt die 54-Jährige, die Deutschland mittlerweile besser kennt als andere ihre Nachbargemeinde.
Das Infomobil wird im ersten Halbjahr 2007 rund 60 Orte anfahren und durchschnittlich drei Tage auf den zentralen Gemeindeplätzen stehen bleiben. "Wir fahren dahin, wo die Menschen sind", sagt Kienitz überzeugt und erzählt dann von dem Fahrzeug, dass der Bundestag bis 2002 eingesetzt hatte. Es war zu groß, um durch enge Gassen hindurch zu fahren. "Regelmäßig standen wir allein auf so genannten ,Dultplätzen' außerhalb der Ortschaften", erinnert sie sich. Der neue Info-Truck hat "nur" noch eine Breite von drei Metern. Im Stand kann man ihn aber auf neun Meter ausklappen, sodass auch eine Schulklasse hinein passt. Regelmäßig erklären die ,Infomobiler' den angemeldeten Schülergruppen, warum es Ausschüsse gibt, warum Parteien Koalitionen bilden (müssen) und warum eine Opposition so wichtig fürs Regieren ist.
Im Sommer kommt das Parlament zu den Ferientreffpunkten der deutschen Ostsee: Ende Juli nach Kühlungsborn, vom 6. bis zum 12. August nach Rostock zur Hanse Sail und vom 14. bis zum 18. August nach Rügen. Und welchem Thema werden die meisten Fragen gelten? Da überlegt Gabriele Kienitz nicht lange. Vermutlich dem Auto. Weil die Gesetzgebung des Bundes zur Besteuerung schadstoffarmer Autos das Parlament noch nicht passiert hat, ist die Verunsicherung groß, und die Leute können sich nicht entscheiden, was sie kaufen sollen. Hybrid, Benziner oder Diesel? Am Ende des Sommers werden die Betreuer des Infomobils nicht nur Experten für Demokratie sein. Über Steuern, Abgase und CO2-Belastung werden auch sie einiges dazu gelernt haben.