Asien
Indien und China sind auf dem Sprung nach oben. Russland und Brasilien wollen folgen
Wolfgang Hirn hat nicht als Erster auf die sich abzeichnenden weltpolitischen Veränderungen durch den Aufstieg Chinas und Indiens zu Großmächten warnend aufmerksam gemacht. Neu ist, dass der Autor auch Brasilien und Russland ins Spiel bringt und überzeugend nachweist: "Das asiatische Jahrhundert hat längst begonnen."
Brasilien wurde in den vergangenen Jahren zur "Kornkammer der Welt". Mit einer Anbaufläche von 60 Millionen Hektar - weitere 90 Millionen sind noch ungenutzt -, billigen Arbeitskräften, einer vorzüglichen Agrartechnologie, günstigen klimatischen Bedingungen und reichlich Wasser ist das Land dabei, sich als Branchenführer bei Soja, Zucker, Südfrüchten und Fleisch zum größten Lebensmittelproduzenten der Welt zu entwickeln.
Russland gilt auf Grund seiner immensen Gas-, Kohle und Ölvorkommen mit einem geschätzten Gesamtwert von 40 Trillionen Dollar inzwischen als "Tankstelle der Welt". Gazprom, bereits jetzt das dritt wertvollste Unternehmen weltweit, und Rosneft mit Ölreserven wie der US-Multi Exxon/Mobil könnten schon bald mit den Anliegerstaaten eine "neue Opec" bilden und zum idealen Rohstofflieferant von Indien und China mutieren. Entsprechende Vereinbarungen laufen.
Indiens Bruttoinlandsprodukt (BIP), 2005 bei 766 Milliarden Dollar, wird sich voraussichtlich bis 2050 mehr als verdreißigfachen. Die "Software-Bude der Welt" ist weltweit schon längst nicht mehr nur Dienstleister in den Bereichen Recht, Personalverwaltung, Buchhaltung oder Wertpapierhandel, sondern analysiert perfekt und billiger als jedes westliche Unternehmen Röntgenbilder, übernimmt journalistische Arbeiten, hat exzellente Designstudios sowie hervorragende Universitäten. Bill Gates sieht in Indien das "neue Mekka für Investitionen in Hightech".
Die Rekordumsätze in China, "der Fabrik der Welt", sind Atem beraubend. Das BIP, 2005 bei 2.225 Milliarden Euro, soll nach Goldman Sachs bis 2050 auf 44 Billionen Euro hinaufschnellen - die USA lägen dann bei 35, Westeuropa bei 19 Billionen Euro. Nachdem China zunächst massenhaft Kleidung, Schuhe und Spielzeug auf den Weltmarkt geworfen hatte, folgten später Elektrogeräte, dann Handys und Computerchips, Container und Schiffe. Auf dem Weg sind nun auch Autos, in ein paar Jahren Flugzeuge und Satelliten, alles von hoher Qualität und zu Herstellkosten, von denen westliche Unternehmen nur träumen können. Eine ländliche Reservearmee von 700 bis 800 Millionen billiger Arbeitskräfte ermöglicht auf Jahrzehnte eine unbegrenzte Ausdehnung der Massenproduktion.
Wie sollte sich der Westen angesichts der asiatischen Überlegenheit verhalten? Hirn warnt vor einer Abschottung durch Zölle und militärische Drohgebären. Sein Rat: Von den Staaten lernen, mehr in Bildung investieren, der Wohlstandsverwahrlosung die Stirn bieten, neue Ideen und Produkte entwickeln. Der ökonomische Niedergang der "alten Mächte" beruht seiner Meinung nach auch in einer Krise der westlichen Demokratien. Politiker ohne Führungskraft, langatmige Debatten ohne überzeugende Resultate, das ständige Schielen auf kurzfristige Erfolge und bevorstehende Wahlen, all dies, so Hirn, hat dazu geführt, dass der Westen ideologisch und kulturell an Boden verliert und semiautoritäre Regierungen mit "demokratischen Einsprengseln" wie die Volksrepublik China vielen armen Ländern als Vorbild dienen.
Schön wäre, wenn die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik dieses Buch gründ-lich lesen und baldmöglichst Konsequenzen ziehen würden.
Angriff aus Asien.
Wie uns die neuen Wirtschaftsmächte überholen.
S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2007; 288 S., 14,90 ¤