Es ist ein kleines Buch mit beunruhigenden Geschichten. Gerade einmal 160 schmale Seiten umfasst "Ich suche die Spuren meiner Mutter" von Caroline Piketty. Die Kapitel sind oft nur zwei oder drei Seiten lang. Es sind flüchtige Begegnungen, von denen die Autorin erzählt. Begegnungen mit Menschen, denen sie Akten herausgesucht hat, die sie auf das Schreckliche, was in diesen Akten stand, vorbereitet hat.
Piketty war im Recherchedienst des französischen Nationalarchivs vor allem für die Zeit des Nationalsozialismus zuständig. Lange hatten die Franzosen ihre Zusammenarbeit mit den Deutschen tot zu schweigen versucht. Erst vor wenigen Jahren wurden Akten über Judenenteignungen und -deportationen für die Bevölkerung freigegeben.
Die Menschen, die zu Piketty kommen, suchen meist Dokumente über ihre Eltern. Die Papiere beweisen die wahrhaft wahnsinnige Ordnung, mit denen auch die französischen Kollaborateure Menschen in die Vernichtung schickten. Die Aussage, der Zweite Weltkrieg sei lange genug her, um mit ihm abschließen zu können, ist für die Besucher des Archivs ein Hohn. Mit den Lebensgeschichten, die sie aus den Akten rekonstruiert, zeigt Piketty, dass Archivararbeit nicht verstaubt sein muss und wie viel aus ihr zu lernen ist - wenn man es nur will.
Ich suche die Spuren meiner Mutter.
Nagel & Kimche,
München 2007; 160 S., 12,90 ¤