Frontex
Die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen hätte zwar viele Probleme zu lösen - aber in der Praxis sind ihr die Hände gebunden
Der Stein des Anstoßes ist provisorisch in einem futuristischen Büroblock im östlich der Weichsel gelegenen Warschauer Stadtteil Praga untergebracht. Für die Politiker jener EU-Mitgliedsländer wie Spanien oder Italien, in die viele Flüchtlinge kommen, ist die EU-Agentur Frontex ein zahnloser Tiger, der zwar ein wenig koordinieren kann, den betroffenen Ländern aber keine wirkliche Hilfe verschafft. Für EU-Kritiker, Globalisierungkritiker und Menschenrechtler hingegen ist sie das Symbol für die "Festung Europa".
Gegründet wurde Frontex 2004 vom Rat der EU, um die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen zu koordinieren. Damit sollte der "Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts", in dem sich die Europäer ohne Grenzkontrollen bewegen können, gegen Eindringlinge geschützt werden: Boat People aus Afrika ebenso wie Schwarzarbeiter aus Russland oder Schmuggler aus Albanien.
So gesehen ist Frontex mit seinen zur Zeit gerade 68 Mitarbeitern, denen der finnische Grenzschutzoffizier Ilkka Laitinen vorsteht, ein Kind von Schengen. Schnell stellte sich heraus, dass es nicht genügt, innerhalb der EU Personenkontrollen abzuschaffen und im Gegenzug die Einreisevorschriften für Drittausländer in den Schengen-Raum anzupassen. Die Flüchtlingsströme aus dem Nahen und fernen Osten, aus dem postsowjetischen Raum und Zentralafrika reagieren sehr schnell und flexibel auf Differenzen in der Kontrollpraxis. Als Ende der 90er- Jahre Polen mit deutscher Hilfe seine Ostgrenze gegen illegale Einwanderer abdichtete, verlagerte sich der Zustrom von Flüchtlingen und Schmugglern sofort nach Süden in die Slowakei und nach Tschechien.
Einige Mitgliedstaaten sahen die Lösung des Problems in einem von Brüssel verwalteten Grenzschutzdienst. Doch solche Pläne trafen auf den entschiedenen Widerstand anderer Regierungen. Sie sahen darin einen Eingriff in ihre nationale Souveränität. Auch die polnische Regierung zählte dazu, die dann aber als erstes neues Mitgliedsland der neuen Beitrittsstaaten den Zuschlag für Frontex erhielt. Da wegen der geringeren Lebenshaltungskosten in Polen dort aber nur 80 Prozent der in Brüssel üblichen Gehälter gezahlt werden, blieben bislang viele Planstellen bis heute unbesetzt. So kann Frontex, deren Struktur der von Europol nachgebildet ist, bisher nicht viel mehr tun, als Informationen auswerten, Gefahrenanalysen und Prognosen an die Grenzbehörden der Mitgliedsländer liefern und um Hilfe bitten, wenn irgendwo in der EU plötzlich Not am Mann ist. Im vergangenen Jahr koordinierte Frontex die Hilfe für Spanien, als auf den Kanarischen Inseln plötzlich tausende von afrikanischen Boat People landeten. Doch angemessene Hilfsmittel hat Frontex dafür bisher nicht - Aufklärungsflugzeuge, schnelle Boote und Hubschrauber müssen weiter von den Mitgliedstaaten. gestellt werden. Im Fall der "Aktion Hera" auf den Kanarischen Inseln kam die Hilfe erst, als es zu spät war. Von 25 von Frontex angesprochenen Mitgliedstaaten antworteten nur fünf auf den Hilferuf. Kein Wunder, dass Spanien die Warschauer Agentur danach als "langsam und uneffizient" attackierte. Doch Mittel, von den Mitgliedsstaaten Beistand zu erzwingen, hat Frontex nicht.
EU-Experten hoffen jedoch, dass die Mitgliedstaaten der neuen Behörde nach und nach mehr Kompetenzen und Finanzmittel übertragen - solange bis die Grenzüberwachung tatsächlich zu einer EU-Angelegenheit wird. Dabei verweisen sie auf Erfahrungen, die früher mit der Europäischen Polizeibehörde Europol gemacht wurden. Denn wie einst ihre Europol-Kollegen dürfen auch Frontex-Beamte bisher nur beraten und informieren. Ermittlungen und Festnahmen müssen sie weiterhin ihren Kollegen in den Mitgliedstaaten überlassen. Heute hingegen beschäftigt sich Europol in Den Haag mit Drogenkartellen, internationalem Terrorismus und Geldwäsche und kann selbst Ermittlungen in den Mitgliedsländern initiieren und organisieren. Auch Frontex stellte erst einmal gemeinsame Verhaltensregeln und Standards für Grenzschützer in Europa auf. Der Zeitpunkt ist absehbar, wann Frontex-Beamte die Einhaltung dieser Standards kontrollieren und nationale Grenzwächter bei Verstößen dagegen mit Sanktionen belegen dürfen.
Für 2007 haben die Gründungsstaaten von Frontex erst einmal den Etat aufgestockt. Frontex soll eigene "Hardware" bekommen und - wenn es nach dem deutschen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht, auch weitere Kompetenzen.
Der Autor ist freier Journalist in Warschau.