WETTBEWERBSPOLITIK
Die Union stärkt dem Wettbewerb den Rücken - trotz Kritik aus den Ländern
Anfang Februar war es wieder einmal soweit. Bei Siemens, ABB und anderen Herstellern von Transformatoren in Deutschland, Österreich und Frankreich klingelten Beamte der EU-Kommission und der nationalen Kartellämter. Sie durchsuchten die Geschäftsräume und beschlagnahmten Unterlagen. In den nächsten Monaten wollen die Wettbewerbshüter der EU damit den Beweis führen, dass die Firmen Preise für Transformatoren abgesprochen und auf diese Weise ein verbotenes Kartell gebildet haben. "Kartelle untergraben die gesunde Wirtschaftstätigkeit", sagt Wettbewerbskommissarin Neeli Kroes. Erst im Januar verhängte die Holländerin eine Rekordbuße von 420 Millionen Euro gegen Siemens für die Beteiligung an einem anderen Kartell.
Die Wettbewerbskommissarin ist die mächtigste Frau in der Exekutive der EU. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Kollegen kann sie handeln, ohne dafür die Zustimmung der Mitgliedstaaten einzuholen. Sie kann Fusionen verbieten, wenn sie eine Gefahr für den Wettbewerb erkennt, sie kann die Auszahlung von Subventionen verhindern oder verlangen, dass sie zurückgezahlt werden, und sie kann gegen Firmen vorgehen, die ihre starke Position ausnutzen, um Wettbewerbern Steine in den Weg zu legen. Die Wettbewerbskommissare haben die Vorschriften des EU-Vertrages in der Vergangenheit systematisch zu einem schlagkräftigen Instrumentarium ausgebaut. Oft mussten sie dabei den Widerstand einzelner Regierungen überwinden, konnten aber mit der klammheimlichen Unterstützung der anderen rechnen. Denn die Wettbewerbspolitik der EU dient dem unionsinternen Interessenausgleich. Die Kommission wacht darüber, dass weder die Unternehmen selbst die Spielregeln des Wettbewerbs verletzen noch die Regierungen ihnen dabei behilflich sind. Sie ist dabei der Anwalt der kleinen Unternehmen gegenüber den großen, aber auch der kleinen Mitgliedstaaten gegenüber den großen. Mit der Missbrauchsaufsicht geht die Kommission gegen verbotene Preisabsprachen (Kartelle) und Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Position vor, wenn sie diese Position missbrauchen.
In den vergangenen Jahren ist es den Wettbewerbshütern in Brüssel immer wieder gelungen, Kartelle aufzuspüren. Eine 2002 erlassene "Kronzeugenregelung" hat dazu maßgeblich beigetragen. Wer ein Kartell in Brüssel anzeigt, kann seitdem straffrei bleiben. Weniger erfolgreich war die Kommission, wenn es darum ging, Verdrängungs- strategien marktstarker Unternehmen einzudämmen.
Einige Autokonzerne mussten hohe Bußgelder bezahlen, weil sie den grenzüberschreitenden Kauf ihrer Modelle sabotierten. In der Elektrizitätswirtschaft steht der Durchbruch zu wirklichem Wettbewerb aber noch aus. "Obwohl die Strom- und Gasmärkte zwei Mal liberalisiert wurden", stellte die Wettbewerbskommissarin Anfang des Jahres ernüchtert fest, "funktionieren die europäischen Energiemärkte nicht." Auch den Software-Giganten Microsoft konnte Neeli Kroes bislang nicht zwingen, die europäischen Wettbewerbsregeln zu respektieren.
Die Fusionskontrolle gibt der Kommission das Recht, Unternehmenszusammenschlüsse zu verbieten, wenn sie eine bestimmte Größenordnung - 5 Milliarden Euro Umsatz weltweit oder 250 Millionen Euro Umsatz in mindestens zwei EU-Staaten - erreichen und den Wettbewerb behindern. Umgekehrt bedeutet das: wenn der Wettbewerb nicht behindert wird, muss die Fusion erlaubt werden. Die Kommission hat sich deswegen beispielsweise nach Kräften dafür eingesetzt, dass der deutsche Versorgungskonzern Eon die spanische Elektrizitätsgesellschaft Endesa übernehmen kann. Der "Wirtschaftspatriotismus" ist nicht nur in Spanien auf dem Vormarsch. In Paris ist es geradezu Programm, nationale Firmen auf dem europäischen Markt zu etablieren, um die Konkurrenz auszubremsen. Die Regierung gibt ihren Unternehmen politischen Flankenschutz und greift auch schon mal in die Staatskasse - sehr zum Missfallen der Kommission, die gegen diese illegalen Subventionen vorgehen muss.
Nicht immer ist sie dabei erfolgreich. So konnte Mario Monti 2004 nicht verhindern, dass Nicolas Sarkozy dem vor der Insolvenz stehenden Technologiekonzern Alstom mit mehreren Milliarden Euro zu Hilfe kam und auch bei der von Gerhard Schröder unterstützten Sanierung des Holzmann-Konzerns gab die Kommission eher widerwillig grünes Licht für eine staatliche Finanzspritze. Gerade für kleinere Staaten ist die Kontrolle aus Brüssel wichtig, denn große Mitgliedstaaten haben naturgemäß mehr Geld, um Wettbewerbsverzerrungen zu finanzieren als kleine. Die nationalen Politiker haben immer gute Gründe, warum Subventionen unverzichtbar sind. Die Europäische Kommission hat berechtigten nationalen Anliegen in der Vergangenheit auch Rechnung getragen, vor allem, wenn in den Ländern Arbeitsplätze auf dem Spiel standen. Das bedeutet jedoch, dass Jobs, die durch Subventionen gerettet werden, an anderer Stelle zusätzlich abgebaut werden müssen.
Der Autor arbeitet für den
Hessischen Rundfunk in Brüssel.