GEMEINSAME Aussen- und Sicherheitspolitik
Mit einer Stimme zu sprechen, fällt Europa schwer
Jeder dritte befragte Bürger möchte, dass die Europäische Union im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik mehr politische Verantwortung übernimmt. Traditionell ist die Außen-und Sicherheitspolitik, im Eurojargon kurz GASP genannt, jedoch eine Domäne der Nationalstaaten - das Kernstück nationaler Souveränität. Trotz des klar formulierten Ziels, mit einer Stimme sprechen zu wollen, sind außenpolitische Standpunkte noch immer stark von Geschichte und Tradition der einzelnen Staaten geprägt.
Zwar kooperieren die Mitgliedstaaten der damaligen EU bereits seit 1970 im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) miteinander, doch erst mit dem Vertrag von Maastricht (1993) wurde eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als zweite der drei Säulen der Europäischen Union integriert. Beim Europäischen Rat in Köln 1999 kam die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) als weiterer Bestandteil hinzu.
Konflikte wie im Nahen Osten, auf dem Balkan oder im Kongo sind nicht von einem Land in Europa alleine zu bewältigen. In der Praxis zeigt sich, dass die außenpolitischen Zuständigkeiten oftmals schwierig sind und es an klaren Entscheidungsstrukturen mangelt. Gerade auch bei Konferenzen zu außenpolitischen Fragen wird dies deutlich, wenn die EU mit mindestens drei verschiedenen Protagonisten vertreten ist: dem jeweiligen Außenminister eines Landes, dem Hohen Repräsentanten Javier Solana sowie der Außenkommissarin der EU-Kommission Benita Ferrero-Waldner.
Dieser Dreiklang führt nicht immer zu
einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeitsbelas
-tung, sondern auch zu Kompetenzüberschneidungen und
Reibungsverlusten. Abhilfe soll hier der Europäische
Verfassungsvertrag bringen. Er sieht das Amt eines
Außenministers der Union vor - eine Zusammenlegung der
Ämter des Hohen Repräsentanten und eines
EU-Außenkommissars. Damit soll die Union auch
außenpolitisch demonstrieren, mit "einer Stimme" zu sprechen.
Javier Solana, ein Optimist von Berufs wegen, beschrieb die
Situation einmal so: "Die Verfassung hätte uns geholfen, das
zu tun, was wir tun müssen. Aber jeder von uns versucht, die
Unzulänglichkeiten mit einem enormen Arbeitspensum
auszugleichen."
Elmar Brok, der Ende Januar den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss des EU-Parlaments abgab, beschrieb die Erwartungen des Hohen Hauses an eine Vertragsreform in seiner Abschiedsrede so: "Wir haben von diesem Ausschuss aus den Konvent zur Verfassungsreform und die Regierungskonferenz mit viel Druck begleitet, wohl in dem Wissen, dass wir in der Außen- und Sicherheitspolitik nur handlungsfähig werden, wenn wir in der Frage der Verfassung zum Erfolg kommen. Wir brauchen den gemeinsamen Außenminister und vieles mehr."
Auch die Verfassung beinhaltet keine Zauberformel für die europäische Außenpolitik. Denn nach einer Vertragsreform erhielte das Europaparlament in diesem Bereich keine Mitsprache, die Regierungen müssten Beschlüsse nach wie vor einstimmig fassen. Immerhin würde ein europäischer Außenminister dafür sorgen, dass Rat und Kommission enger verzahnt werden. Denn er sollte gleichzeitig Vertreter des Rates und Mitglied des Kommissarskollegiums sein. Ein diplomatischer Dienst aus den Abteilungen des Rates und der Kommission sollte ihm zur Seite stehen. Die Gemeinschaftspolitik ist in keinem Feld in den letzten Jahren so rasch vorangekommen wie bei der inneren und äußeren Sicherheit. Alle Mitgliedsländer haben begriffen, dass mehr herauskommt, wenn 27 Länder ihre Kräfte bündeln, als wenn jeder allein für sich arbeitet. Aber es könnten noch viel häufiger Synergieeffekte genutzt werden.
Aus einer Studie, die der Verteidigungsausschuss des Europaparlaments im Sommer 2006 veröffentlichte, wird deutlich, dass die europäischen Staaten jährlich 250 Milliarden Euro für Verteidigung ausgeben. Das ist immerhin die Hälfte des amerikanischen Verteidigungsetats. Doch die Europäer bringen es damit nur auf zehn Prozent der Schlagkraft der USA, weil Konkurrenz bei der Rüstungsproduktion, parallel existierende Strukturen im Apparat, Kommunikationsprobleme und unterschiedliche technische Standards zu gewaltigen Reibungsverlusten führen. Drängende außenpolitische Fragen wie Verhandlungen um knappe Energieressourcen oder gemeinsame Interessen bei der Welthandelsorganisation zwingen die europäischen Regierungen dazu, gemeinsame Beschlüsse zu fassen. Da dies aber bislang noch einstimmig geschehen muss, sind die Entscheidungsprozesse oftmals schleppend. Auch ein gemeinsamer Sitz der EU im UNO-Sicherheitsrat könnte Europa mehr Gewicht verleihen und ist im Gespräch. Doch um die Erwartungen der Bürger an die friedenssichernde Rolle der Union zu erfüllen, bräuchte es noch weit kühnerer Schritte.
Daniela Weingärtner ist Korrespondentin der Zeitung "Das Parlament" in Brüssel.