Konfliktprävention
Die EU muss als Akteur sichtbarer werden
Zunächst stand Elmar Brok der Entsendung von EU-Truppen in den Kongo skeptisch gegenüber. "Aber die Sicherung der Wahlen hat sich als Erfolg erwiesen", bilanziert der EU-Abgeordnete. Derzeit herrsche relative Stabilität in dem Land. Der CDU-Politiker über einen meist übersehenen Aspekt: "Brüssel hat über die Finanzierung des Urnengangs die Wahlen überhaupt erst ermöglicht."
Der Kongo-Einsatz gilt als positives Beispiel für die EU-Politik der Konfliktverhütung: durch die Schaffung demokratischer Verhältnisse und funktionierender ziviler Strukturen Konflikte einzudämmen und Spannungen zu überwinden. Wobei die Grenzen zwischen Krisenmanagement und -prävention freilich verschwimmen. Letztere ist im Grunde das Leitmotiv der gesamten EU-Außenpolitik. Wenn im Namen der Ratspräsidentschaft Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Nahen Osten vermittelt, dann dient dies der Konfliktverhütung. Wirtschaftshilfe verfolgt auch diesen Zweck. Brok: "Die EU gibt im Vergleich zu der vor allem aufs Militär setzenden USA weitaus mehr Geld für zivile Maßnahmen aus." Gleichwohl müsse Brüsselallerdings die Mittel auf diesem Feld aufstocken.
Die EU kann von ihrer Anlage und ihrer Stellung her weder eine Zivilmacht bleiben noch zu einer militärischen Supermacht werden. International ist sie aber mehr und mehr gefordert und könnte einen unverwechselbaren Beitrag leisten zu einer weltweiten "Kultur der Konfliktprävention", die dem ehemaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan vorschwebt. Dem trägt die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) als eigenständiger und operativer Bestandteil der GASP Rechnung. Sie hat eine militärische und eine zivile Komponente und soll die EU in der internationalen Konfliktverhütung handlungsfähiger machen. So halten die EU-Staaten personelle Reserven für Polizeiaktionen, für den Katastrophenschutz oder für Unterstützung bei der Stabilisierung von Justiz und Zivilverwaltung bereit. Mehrere Tausend Polizeibeamte stehen zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten haben der EU zudem Experten gemeldet. Betont wird die Konfliktvermeidung - der Einsatz militärischer Gewalt als letztes Mittel wird aber nicht ausgeschlossen. Die militärische Eingreiftruppe ist in erster Linie nicht für Prävention konzipiert worden, kann aber dazu beitragen, indem sie mithilft, neue Gewalt zu unterbinden.
Außerdem wird sie als Mittel im Zusammenspiel mit zivilen Krisenpräventions- und Krisenbewältigungsmechanismen verstanden. Die EU kann schnell agieren, somit auch politische Ziele verfolgen. Autonomes militärisches Eingreifen bei internationalen Krisen ist aber nur in den Fällen, in denen die NATO als Ganzes nicht beteiligt ist, möglich.
Ins Blickfeld rücken in erster Linie konkrete Missionen. Neben dem Kongo verlief das Engagement in Mazedonien vor einigen Jahren besonders erfolgreich. Nachdem albanische Aufständische Polizeistationen angegriffen hatten und ein Bürgerkrieg drohte, erreichte die EU ein Abkommen zwischen Regierung und Albanern über Minderheitenrechte, eine neue Kommunalverwaltung sowie die Entwaffnung der Rebellen.
Eine gemischte Bilanz zieht Brok über den Auftritt der EU-Polizei in Bosnien: Sie sorge für relative Ruhe, doch sei der Aufbau eines gesamtstaatlichen Polizeiapparats noch nicht gelungen. Andere Beispiele seien EU-Missionen an der Grenze zwischen Gaza und Ägypten oder die Entwicklung von Polizeistrukturen in Palästina. Oft laufen solche Aktionen unter "fremder" Flagge, etwa der UNO oder der Weltbank. Daher vertritt Brok einen klaren Kurs: "Wir müssen die EU sichtbarer machen."