Fünf Jahre Euro
Die Bürger sind immer noch skeptisch, die Volkswirtschaftler ziehen eine positive Bilanz
Am 1. Januar 2007 jährte sich die Euro-Einführung zum fünften Mal - und immer noch blicken die Europäer mit Skepsis auf ihre Währung. Einer aktuellen Umfrage des Forschungsinstituts Harris Interactive zufolge gehen 59 Prozent der Bürger in den großen Staaten der Währungsunion davon aus, dass der Euro ihrer Wirtschaft Schaden zufügt. In Deutschland denken das 55 Prozent. Das gemeinsame Geld erfährt von den Bürgern der Euro-Zone noch nicht die gleiche Wertschätzung wie die D-Mark, der Schilling oder der Franc. Doch der Euro brachte der Wirtschaft in Europa erhebliche Vorteile.
Die gemeinsame Währung hat den grenzüberschreitenden Handel erleichtert, weil Währungsrisiken und Kosten für den Geldumtausch entfallen. Sie begünstigt die Entwicklung des europäischen Kapitalmarkts, was für die Unternehmen die Finanzierungskos-
ten senkt und damit die Wirtschaft leis
-tungsfähiger macht. Der Euro ist inzwischen noch vor dem
Dollar die wichtigste Bargeldwährung der Welt, auch als
Anlagewährung gewinnt er an Bedeutung. Wichtiger noch: Der
Euro hat zu einer nie dagewesenen Währungsstabilität in
Europa gesorgt. Trotz schwieriger weltweiter Rahmenbedingungen -
ein hohes US-Leistungs
bilanzdefizit, erhebliche Zinsunterschiede zwischen den
Volkswirtschaften - sind Währungskrisen in Europa
ausgeblieben. Eine Währung, hinter der die
volkswirtschaftliche Kraft von inzwischen 13 Ländern steht,
ist für spekulative Attacken weniger anfällig als
kleinere Devisen. Vor dem Hintergrund, dass es Hedge-Fonds im Jahr
1992 gelungen ist, die Bank of England in die Knie zu zwingen, ist
nicht viel Fantasie nötig, um sich auszumalen, welche Folgen
es gehabt hätte, wenn internationale Devisenhändler die
Lira oder die Drachme ins Visier genommen hätten. Gerade eine
exportorientierte Volkswirtschaft wie die deutsche profitiert von
der bemerkenswerten makroökonomischen Stabilität. Die
zeigt sich auch beim inneren Wert der Währung. Entgegen seinem
Ruf als Teuro herrscht in der Währungsunion
Preisstabilität. Trotz externer Schocks, etwa die Explosion
der Ölpreise oder BSE, stieg die Inflationsrate in der
Euro-Zone nie deutlich über zwei Prozent. Davon profitieren
insbesondere Länder wie Italien oder Spanien. Früher
mussten sie wegen ihrer notorisch hohen Teuerungsraten und der
ständigen Wechselkursrisiken hohe Zinsen bezahlen, inzwischen
liegt das Zinsniveau kaum über dem deutschen. Das kurbelt die
Wirtschaft an, was wiederum den Exporteuren hierzulande zugute
kommt.
Gerade Deutschland hatte auch die Nachteile einer Währungsunion erfahren. Weil es gegenüber seinen Handelspartnern in Europa nicht mehr abwerten konnte, musste das Land den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit nach der Wiedervereinigung äußerst schmerzhaft mit geringen Lohnsteigerungen ausgleichen. Erschwert wurde diese Anpassung dadurch, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinspolitik an der Währungsunion ausrichtet und anders als früher die Bundesbank nicht auf die Bedürfnisse der Bundesrepublik Rücksicht nehmen kann. Die deutsche Wirtschaft ist nach der Rosskur wieder fit und brummt.
Dafür kämpft jetzt Italien mit zu hohen Lohnkos-
ten und einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit. Da die Italiener
zu ähnlich drastischen Schritten wie die Deutschen derzeit
nicht bereit zu sein scheinen, spekulieren Ökonomen schon
über einen Austritt aus der Währungsunion. Dazu ist es
noch zu früh. Doch wird immer deutlicher, dass eine
Währungsunion nur funktionieren kann, wenn die Mitglieder ihre
Regeln akzeptieren. Die Wirtschaft muss sich über flexible
Märkte und eine angemessene Lohnpolitik an veränderte
Bedingungen anpassen können, weil das Instrument der
Wechselkurspolitik nicht mehr zu Verfügung steht. Eine der
wichtigsten Herausforderungen wird sein, mit Reformen diese
wirtschaftliche Anpassung zu unterstützen. Denkbar wäre
eine Art europäischer Finanzausgleich, der Staaten in der
Krise unterstützt oder die Mobilität der Arbeitnehmer
fördert, damit zum Beispiel Deutsche leichter in Frankreich
Geld verdienen können, wenn hier die Konjunktur
schwächelt, und umgekehrt.
Die Idee einer gemeinsamen Währung hatte immer auch eine politische Dimension und das Ziel, den Zusammenhalt des Kontinents zu stärken. Wie die Umfragen zeigen, bleibt hier noch viel zu tun - zumal Politiker immer wieder hausgemachte wirtschaftliche Probleme auf den Euro schieben und damit die Skepsis fördern. Doch erste Ansätze einer gemeinsamen Identität lassen sich beobachten. Über Geldpolitik wird inzwischen nicht mehr national, sondern europaweit diskutiert. Auf den internationalen Gipfeln kommen die Europäer nicht darum herum, eine gemeinsame Position in Währungsfragen zu finden, weil die nationalen Notenbankchefs nicht mehr anwesend sind. Otmar Issing, langjähriger Chefvolkswirt der EZB, sagte kürzlich, der Euro sei noch nicht völlig "auf sicherem Grund". Trotz aller Schwierigkeiten stehen die Chancen gut, dass sich das bald ändert.
Der Autor ist Korrespondent der
"Financial Times" in Frankfurt.