DER EUROPÄISCHE GERICHTSHOF
Mit seinen Urteilen hat er die Integration vorangetrieben
Für ein Kartell von insgesamt 17 Fahrstuhl- und Rolltreppenherstellern ging es im Februar 2007 abwärts. Ihre verbotenen Preisabsprachen, um sich den Markt zwischen Deutschland, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden aufzuteilen, kosten sie nun knapp eine Milliarde Euro. Es war das höchs-te Bußgeld, das die Europäische Kommission je verhängt hat. Der deutsche Thyssen-Krupp-Konzern muss fast die Hälfte allein zahlen, weil er "Wiederholungstäter" sei. Die Wettbewerbshüter in der EU-Kommission haben die Möglichkeit, ihre eigenen Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu verklagen, um sie damit zu zwingen, europäisches Recht einzuhalten.
Die Europäische Gemeinschaft hat sich mit dem Gemeinschaftsrecht eine dauerhafte rechtliche Grundlage gegeben. Dem EuGH kommt als dem vierten Organ der Europäischen Gemeinschaft die Aufgabe zu, das Recht bei der Auslegung und Anwendung der Verträge zu wahren. Kommt ein Land einem Urteil des Gerichtshofs nicht nach, kann die Kommission den EuGH ersuchen, ein Bußgeld zu verhängen.
Verstöße gegen die europäischen Vorschriften sind beispielsweise bei Ausschreibungen in allen Mitgliedstaaten an der Tagesordnung. So erhob die Kommission im vergangenen Jahr Klage gegen Deutschland, weil Landkreise im Norden Aufträge zur Abfallbeseitigung ohne Ausschreibung an kommunale Betriebe vergeben hatten. Anbieter aus allen EU-Staaten sollen aber die gleichen Chancen haben.
Eingesetzt 1953 zunächst nur für die Streitigkeiten innerhalb des Vertrages der Europäischen Gemeinschaft für Kohl und Stahl, wurde das Gericht mit den Römischen Verträgen zum gemeinsamen Organ der Gemeinschaft für sämtliche Streitigkeiten. Seitdem hat es viele Urteile gefällt, die die europäische Integration vorangetrieben und zur Entwicklung des EU-Rechts beigetragen haben. Durch seine Auslegung hat es die Normen und Befugnisse der Gemeinschaft konkretisiert. Wegweisend waren Urteile zur Freiheit des Warenverkehrs wie das Cassis-de-Dijon-Urteil von 1978, mit dem Importverbote aufgehoben wurden. Das Gericht entschied, dass auch Bier, das nicht nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wurde, auf dem deutschen Markt angeboten werden darf. Den Italienern trieben die Richter genauso höchstrichterlich ihre National-Nudel aus. Auch sie müssen seitdem Teigwaren auf dem italienischen Markt dulden, die nicht rein aus Hartweizengrieß hergestellt sind, zum Beispiel die deutsche Eiernudel.
Die Autorin arbeitet als freie Journalistin in Berlin.