Landwirtschaft
Der Klimawandel ist kostspielig. Zu spüren bekommen dies bislang vor allem die Landwirte. Denn für wetterbedingte Ernteausfälle gibt es in Deutschland kaum Versicherungen.
Keine Branche hängt so sehr vom Wetter ab, wie die Landwirtschaft. Fällt zur falschen Zeit zuviel Regen, ist die Getreideernte in Gefahr. Wird es im Herbst zu früh kalt, gibt es aller Voraussicht nach einen schlechten Weinjahrgang. Ein heißer Sommer beeinträchtigt das Wachstum des Bier-Rohstoffs Hopfen. Mit dem durch Menschen beschleunigten Klimawandel verstärken sich die Risiken der Bauern weiter.
"Dieses Jahr ist das Wetter völlig durcheinander", sagt Ernst-Wilhelm Westerhoff, der mit seiner Familie im südlichen Münsterland 60 Hektar Land überwiegend mit Weizen bewirtschaftet. Der Herbst war zu warm, der Winter ebenfalls, im Frühjahr kam dann Frost, als niemand damit gerechnet hatte. Ungewöhnliche Wetterjahre kommen immer mal wieder vor, weiß Bauer Westerhoff. Aber in den vergangenen Jahren musste fast jedes als Ausnahme verbucht werden. Westerhoff macht den Klimawandel dafür verantwortlich und versucht, sich an die sich ändernden Verhältnisse anzupassen. Mit besonders standfesten Weizensorten beispielsweise könne man den immer nasser werdenden Sommern begegnen. Wenn das Korn erst einmal am Boden liege, lasse es sich nicht mehr aufrichten und somit nicht mehr verwenden.
Auf die veränderten Wetterverhältnisse will er eventuell auch durch eine Verschiebung des Aussaattermins reagieren. Schließlich müsse überlegt werden, ob nicht ganz neue Pflanzsorten den Weizen ersetzen können. "Wir schrauben, wo man noch dran schrauben kann", sagt Westerhoff. Alles in allem gehe es den Bauern in Westdeutschland im Vergleich zu ihren Kollegen aus dem Osten noch einigermaßen gut. Dort seien die Klimaveränderungen viel ausgeprägter zu spüren. Aus den ostdeutschen Bundesländern kommen daher auch die Rufe nach einer besseren Absicherung der Bauern gegen Ernteausfälle. Die Gefahr von witterungsbedingten Ertragsschwankungen wird laut Aussagen von Klimaforschern zunehmen, "deswegen brauchen wir für die Landwirte eine Mehrgefahrenversicherung", fordert Udo Folgart, Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg. Die Landwirte seien auf Versicherungen angewiesen, die helfen, witterungsbedingte Ertragsausfälle auszugleichen, damit die Betriebe nicht unverschuldet in Schieflage gerieten.
Bislang wird eine derartige Versicherung in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der EU oder auch den USA nicht angeboten. Der Bund stellt sich noch dagegen. Das derzeit diskutierte Modell einer Mehrgefahrenversicherung sieht nämlich vor, dass die öffentliche Hand als Bürge für die Risiken auftritt. Denn die Schäden, die etwa durch ein verheerendes Hochwasser oder eine lang anhaltende Dürreperiode entstehen, überschreiten schnell die Milliardengrenze.
Die Hitze des Jahrhundertsommers 2003 beispielsweise hat nach Berechnungen der Münchener Rückversicherung Schäden von 16,4 Milliarden Euro verursacht. Versichert waren davon gerade einmal knapp 4 Milliarden Euro. Insgesamt verzeichnet die Versicherung in einem Langzeitvergleich von 1970 bis 2006 eine kontinuierliche Zunahme von Naturkatastrophen in Deutschland. In den vergangenen zehn Jahren ist die Wachstumskurve noch steiler geworden.
Für die gesamte nördliche Erdhalbkugel haben ihre Experten eine deutliche Erwärmung in den vergangenen 100 Jahren festgestellt, wobei sich die Erwärmung in der jüngsten Vergangenheit beschleunigt habe.
Diese Entwicklung könne durch natürliche Einflüsse nicht mehr erklärt werden, heißt es in einer Studie der Versicherung. Die Folgen des Treibhauseffekts sind mehr Regen und Stürme, extreme Temperaturschwankungen, Dürren und Überschwemmungen mit negativen Folgen für die Landwirtschaft.
Der regierungsunabhängige Weltklimarat hat ermittelt, dass die Temperatur auf der Erde im 20. Jahrhundert um durchschnittlich 0,74 Grad Celsius gestiegen ist. Das wirkt auf den ersten Blick nicht dramatisch. Die Erwärmung rückt aber in ein bedrohlicheres Licht, wenn man berücksichtigt, dass zwischen dem aktuellen Klima und der letzten Eiszeit auch nur ein Temperaturunterschied von sechs bis sieben Grad liegt.
Bislang können sich Bauern hier zu Lande zwar gegen Tierseuchen, nicht aber gegen Ernteausfälle in Folge von Naturkatastrophen versichern. Mit einer Ausnahme: Gegen Hagel können sie sich seit vielen Jahren absichern. Marktführer ist mit der Versicherung von 60 Prozent der landwirtschaftlichen genutzten Fläche die Vereinigte Hagel. Die genossenschaftliche Organisation verhandelt derzeit mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium über die Einführung einer Mehrgefahrenversicherung. Voraussichtlich im November könne ein erstes Produkt dazu vorgestellt werden, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Mit der Luxemburger Regierung hat die Vereinigte Hagel bereits einen solchen Versicherungsschutz ausgearbeitet. Dort werde das Versicherungsprodukt bereits erfolgreich am Markt eingesetzt. Für die Landwirte sei es auf jeden Fall besser, ihre aus Unwetter resultierenden Risiken selber zu kalkulieren und zu versichern, als im Falle einer Naturkatastrophe immer auf die Hilfsbereitschaft der öffentlichen Hand angewiesen zu sein, meint die Sprecherin.
In Deutschland hat es vor sechs Jahren einen ersten Versuch auf Länderebene gegeben, eine Versicherung gegen Ernteausfälle zu entwickeln. Damals war das Projekt in Sachsen gescheitert. "Wegen fehlender Finanzierbarkeit ist das Ganze im Sande verlaufen. Es geht eben um sehr viel Geld", erklärt Ulrich Böhm vom Brandenburgischen Landesbauernverband.