Großbritannien hat es schon, Österreich seit dem 1. Januar für LKW und Deutschland sollte es seit August letzten Jahres haben, muss aber weiter warten, weil es nicht funktioniert. Dennoch besteht kein Zweifel, das elektronische Mautsystem zur Erfassung und Abrechnung von Straßenbenutzungsgebühren ist trotz der deutschen Panne auf dem Vormarsch. Selbst die Länder, die seit Jahrzehnten mit Hilfe von festen Zahlstellen oder Vignetten kassieren, erwägen eine Umstellung. Da aber für jedes bisher geplante System eine unterschiedliche technische Umsetzung gewählt wurde, möchte die EU-Kommission die verschiedenen, oft nicht kompatiblen nationalen Systeme vereinheitlichen. Längerfristig schwebt Brüssel eine europäische Einheitsmaut vor, bei der die Gebühren im Gegensatz zu den nationalen Systemen je nach Verkehrs- und Umweltbelastung stärker differenziert werden sollen.
Die heute in verschiedenen Varianten bereits benutzten elektronischen Systeme zur Mauterhebung beruhen auf der so genannten Mikrowellentechnologie. Sie sind meist nicht kompatibel, auch nicht mit der von Deutschland gewählten satellitengestützten Technik, wodurch der internationale Straßenverkehr behindert wird. Zur schrittweisen Umstellung auf interoperable Systeme schlägt die Kommission vor, dass bis 2005 alle neuen elektronischen Mautsysteme auf folgenden Techniken zur Mautabwicklung beruhen sollen: Satellitenortung, Mobilfunk oder Mikrowelle. Ab 2008 bis 2012 sollen alle neuen Systeme ausschließlich auf der Satellitenortungs- und Mobilfunktechniken beruhen.
Ab diesem Zeitpunkt, so hofft die für Verkehr zuständige EU-Kommissarin Loyala de Palacio, kann ein auf den europäischen Hauptverbindungsstrecken, den so genanten transeuropäischen Netzen, ein einheitlicher und nach der jeweiligen Belastung der Verkehrswege und der Umwelt ausgerichteter Wegezoll für den Gütertransport und für Busse eingeführt werden. Dieser soll aber nicht, wie bisher auf nationaler Ebene üblich, nur für die schweren Brummis ab zwölf Tonnen gelten, sondern auch schon für die kleinen Transporter ab 3,5 Tonnen, deren Einsatz durch private Kurierdienste sehr stark zugenommen habe.
Bei der ersten Lesung im Europäischen Parlament erhielt die Kommissionsinitiative zwar grundsätzliche Unterstützung, wurde aber stark abgeändert, weil die Abgeordneten der Auffassung waren, dass die Vorschläge zu ehrgeizig sind. Da das Funktionieren des Systems die wichtigste Voraussetzung für die Einführung des europäischen Mautsystems ist, sollte es nicht vor dem 1. Januar 2007 und nicht schon im Jahr 2005 beginnen. Außerdem wurden Änderungsanträge zur Unterstützung des europäischen Satelliten-Navigationssystems Galileo mit der Begründung angenommen, dass durch die Nutzung von neuen Satellitenortungs- und Mobilfunktechniken im Rahmen des europäischen Galileo-Systems die Effizienz der Verkehrssysteme und die Straßenverkehrssicherheit gesteigert werden könnten. Die Abgeordneten betonten aber auch, dass es nicht der Kommission zukomme, bestimmte Technologien vorzuschreiben. Diese Entscheidung sollte der Industrie, den Mitgliedstaaten und anderen betroffenen Parteien vorbehalten bleiben.
Berichterstatterin Renate Sommer (EVP/D) stimmte mit der Vorstellung der Kommission überein, dass der europäische Mautdienst lediglich die Art der Maut oder der Gebührenerhebung regeln soll. Die Höhe der Gebühren sollen weiterhin die Mitgliedstaaten bestimmen dürfen. In der Debatte hatten einige Abgeordnete gefordert, dass existierende Mautsysteme, wie beispielsweise das im letzten Jahr in London eingeführte System in den Anwendungsbereich des Kommissionsvorschlags fallen sollten. Das wurde von der Kommissarin wegen rein nationaler Zuständigkeit abgelehnt.
Als Alternative zu den "hochfliegenden und teuren Technologieträumen" empfahl der Luxemburger Claude Turmes von den Grünen als Vorbild die Schweiz, die mit einer Kombination von Kurzwellentechnik an den Schranken und den digitalen Tachographen an Bord auf eine Integration bewährter Techniken setze. Mit ihren Mautgebühren würden alle Kosten für die Zerstörung der Straßenbeläge, der Unfallkosten, der Umweltschädigungen einschließlich der Klimaschäden abgegolten. Ebenso wichtig sei, dass mindestens 83 Prozent der Einnahmen aus der Maut für den Ausbau umweltverträglicher Alternativen, wie den Ausbau der Bahn oder den Bau von weiteren Tunneln, investiert werden.