Das Bundesverbraucherschutzministerium rechnet mit einer weiter steigenden Zahl von Rindern, die ohne den gesetzlich vorgeschriebenen BSE-Test geschlachtet worden sind, da noch etwa 3.000 Zweifelsfälle geklärt werden müssen. Dies erklärte ein Ministeriumsvertreter am 14. Januar in einem Sachstandsbericht im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.
Da die bei den Ländern liegende Zuständigkeit für Lebensmittelsicherheit- und -kontrolle von diesen zum Teil an die Landkreise delegiert worden sei, benötige die Ermittlung der genauen Zahl der ohne BSE-Test geschlachteten Rinder noch Zeit. Die Unregelmäßigkeiten bei den BSE-Tests waren bei einem Abgleich der Rinderdatenbank, in der alle geborenen und geschlachteten Rinder verzeichnet werden, und der Datenbank über BSE-geteste Rinder im November aufgefallen.
Bis zum Vortag seien dem Ministerium offiziell 841 Rinder ohne BSE-Test gemeldet worden. Hinzu kämen noch 481 Grenzfälle, bei denen keine BSE-Tests gemacht wurden, weil die Tiere genau an ihrem zweiten Geburtstag geschlachtet worden seien. Vom folgenden Tag an ist die Untersuchung der Rinder in Deutschland vorgeschrieben. Der Ministeriumsvertreter erklärte, die Gefahr, die von den nicht BSE-getesteten Tieren für den Verbraucher ausgehe, sei vor dem Hintergrund von mehr als 2,44 Millionen im Jahr 2003 auf BSE getesteten Rindern äußerst gering. Sofern BSE-Tests bewusst umgangen worden seien, müssten sie in jedem Einzelfall strafrechtlich verfolgt werden.
Um die Zusammenarbeit zwischen den für die Kontrolle zuständigen Ländern und dem Bund zu verbessern, habe das Bundesverbraucherschutzministerium den Bundesländern die Einrichtung einer "Task Force" vorgeschlagen, die eine Schwachstellen-Analyse bei den BSE-Tests vornehmen solle.
Ausführlich diskutiert wurde im Ausschuss die Äußerung eines Ausschussmitglieds der FDP-Fraktion, der der Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) in einem Medienbericht "unglaubliche Schlamperei" vorgeworfen hatte, da sie einem ihr bereits Anfang 2003 vorliegenden Hinweis auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei den BSE-Tests nicht ausreichend nachgegangen sei.
Der Ministeriumsvertreter wies die Kritik des Abgeordneten an der Ministerin zurück und sprach von "billigem Populismus". Der an das Bundestagsbüro der Ministerin per e-Mail gerichtete Hinweis sei unmittelbar an das Bundesverbraucherschutzministerium weitergeleitet worden, welches wiederum die Nachricht sofort an das zuständige niedersächsische Landwirtschaftsministerium zur weiteren Klärung gesandt habe. Aufgrund dessen Recherchen sei in der Sache auch ein Strafverfahren eingeleitet worden. Der erhobene Vorwurf sei daher haltlos. Auch die Koalition warf dem Abgeordneten vor, mit seinen sachlich unbegründeten Vorwürfen füge er dem Image der Fleischwirtschaft schweren Schaden zu, gefährde die Bauern in ihrer Existenz und verunsichere die Verbraucher.
Die FDP hielt dagegen an ihren Vorwürfen fest. Die Ministerin hätte seit längerem bekannte Hinweise auf Schwarzschlachtungen und die Fehleranfälligkeit des Rinderdatenbanksystems wesentlich früher verfolgen müssen. Wäre sie ihrer Aufsichtspflicht gegenüber den für die Lebensmittelsicherheit zuständigen Ländern mit der notwendigen Sensibilität nachgekommen, hätte auch der Datenabgleich zwischen der Rinderdatenbank und der BSE-Datenbank eher erfolgen können.
Die CDU/CSU sprach von einer "außerordentlich geringen" sachlichen Gefährdung durch die unterbliebenen Tests. Gegen Veterinäre und Landwirte, die mit krimineller Energie versuchten, BSE-Tests zu umgehen, müsse aber mit aller Schärfe bis hin zum Berufsverbot vorgegangen werden, da sie mit ihrem Verhalten einen ganzen Berufsstand in Verruf brächten.