Finanzen. Probleme der Bilanzierung in Unternehmen hat der Finanzausschuss am 26. Mai in einer öffentlichen Sitzung erörtert. Dabei ging es um die Zukunft des Maßgeblichkeitsprinzips und um mögliche mittelbare Auswirkungen der Fortentwicklung der internationalen Rechnungslegung auf das deutsche Steuerrecht. Als Sachverständiger stand Professor Norbert Herzig von der Universität Köln den Abgeordneten Rede und Antwort.
Herzig berichtete, die IAS-Verordnung der EU (International Account Standards, internationale Standards der Rechnungslegung) führe dazu, dass es ab 2005 zu einer deutlichen Zäsur in der Rechnungslegung kommen wird. Die EU schließe sich damit den Überlegungen der IAS an. Für den Konzernabschluss sei verpflichtend, dass die IAS europaweit angewendet werden. Die IAS-Verordnung der EU lasse außerdem zu, dass auch Einzelabschlüsse nach den IAS erstellt werden können. Das Bundesjustizministerium habe angedeutet, auch Kaufleute könnten die Möglichkeit zu einem Einzelabschluss nach den IAS erhalten.
Anders als Kapitalgesellschaften müssten Kaufleute weiterhin einen Einzelabschluss nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) vorlegen. Wahlweise könnten sie zusätzlich einen IAS-Abschluss machen, so Herzig. Daneben gebe es noch die Steuerbilanz. Diese Vielzahl von Bilanzen nebeneinander führe zu zahlreichen Bi-lanzierungspflichten der Kaufleute. Neben der Umsetzung der IAS werde auch über eine Modernisierung des HGB nachgedacht. Zu Fragen sei auch, welche Sogwirkungen von IAS-Einzelabschlüssen ausgehen werden. Herzig erwartet in diesem Zusammenhang eine beachtliche Sogwirkung. Wenn Banken die IAS-Bilanzen als transparenter betrachteten, entstünde ebenfalls ein Sog zu dieser Rechnungslegung. IAS- und HGB-Bilanzen nebeneinander seien eine "missliche Situation". Vielleicht werde die Modernisierung des HGB in Richtung der IAS gehen, meinte der Professor.
Herzig stellte ferner die Frage, was aus dem alten Maßgeblichkeitsgrundsatz wird, wonach die Steuerbilanz an die Handelsbilanz anknüpft. Das Ideal der Einheit von Handels- und Steuerbilanz sei nicht mehr gegeben, die Maßgeblichkeit vielfach durchbrochen. Für die steuerliche Gewinnermittlung gebe es einerseits den Bestandsvergleich (Bilanzen zur Gewinnermittlung) und andererseits eine Einnahmen-/Überschussregelung, die primär für Freiberufler zugelassen sei, für Kaufleute jedoch nicht. Während es im traditionellen HGB um den Gläubigerschutz gehe, stehe bei den IAS die Schonung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Vordergrund. Nach dem Realisationsprinzip werde eine Wertsteigerung erst dann steuerlich zum Gewinn, wenn der Wert realisiert worden ist.
Ein weiteres Kriterium sei die Objektivierbarkeit, sagte Herzig. Das Steuerrecht als Massenrecht brauche objektivierbare Regeln. Ein Wahlrecht zwischen einem Bestandsvergleich und einer Einnahmen-/Überschussregelung für kleine und mittlere Unternehmen könnte für diese bei der Wahl der letzteren zu einer einfacheren Rechnungslegung führen. Die HGB-Bilanz stelle die Kapitalerhaltung in den Mittelpunkt. Herzig äußerte große Zweifel an der langfristigen Tragfähigkeit der Kapitalerhaltungsbilanz. Durch die EU-Grundfreiheiten kämen ausländische Gesellschaften nach Deutschland, denen man keinen Abschluss nach deutschen Regeln vorschreiben könne. Zudem sei der Kapitalerhaltungsgedanke, wonach Ausschüttungen auf der Grundlage von Bilanzen stattfinden, ein deutscher Sonderweg. EU-weit sei dafür keine Mehrheit zu gewinnen.
Die IAS hätten einen gewissen Charme, so der Professor weiter, und wären integrationsförderlich für Europa. Allerdings sei die Harmonisierungsrichtung ungesichert. Hinzu komme, dass die IAS von einem privaten "Standardsetter" entwickelt worden seien. Die Frage sei, wie daraus "Recht" werde. Dieses Recht wäre mit einem gewaltigen Demokratiedefizit ausgestattet. Auch hätten die "Standardsetter" in London immer die Aktionäre im Auge. Dem IAS liege lediglich der Informationsaspekt zugrunde. Dies sei auch der Unterschied zur Besteuerung, die mit einem Zahlungsabfluss verbunden sei. Steuerlich seien zuverlässige Informationen erforderlich. Die IAS könnten nicht die Grundlage der Besteuerung sein. vom