Es ist eine beglückende Erfahrung, nach einer Übergangszeit feststellen zu können: Ich bin alleinerziehend und mir und meinem Kind geht es gut." Erika S. steht mit dieser Aussage nicht alleine da. Forscher halten fest, dass es etwa einem Drittel der 2,5 Millionen Alleinerziehenden in Deutschland gut geht. Sie und ihre Kinder unterscheiden sich in ihrem Wohlbefinden nicht von vergleichbaren Paarfamilien. Ein weiteres Drittel kommt zwar auch ganz gut klar, kämpft aber vor allem mit zeitlich unzureichender Kinderbetreuung, den Folgen keiner oder nur geringfügiger Erwerbstätigkeit, fehlendem Unterhalt oder ständigen Auseinandersetzungen mit dem anderen Elternteil. Zu den Familien in prekären Lebenslagen zählt das letzte Drittel: Hier summieren sich mehrere Faktoren, zu denen oftmals noch Krankheit, psychische Instabilität und - aus dieser Kumulation resultierende - Auffälligkeiten der Kinder hinzukommen.
Bis in die 80er-Jahre interessierten sich Wissenschaftler wie Medien eher für die vermeintlichen Defizite von Einelternfamilien. Inzwischen sieht man sie differenzierter und hat vermehrt ihre Stärken im Blick. So beschreiben die Psychologen Matthias Ochs und Rainer Orban in ihrem Buch "Was heißt schon Idealfamilie?" die besonderen Fähigkeiten allein erzogener Kinder. Sie beobachteten, dass diese besonders verantwortungsbewusst sind und "über eine große Bandbreite sozialer Kompetenzen verfügen".
Andrea F.: "Ich habe schon zwei Jahre gebraucht, bis ich die endgültige Trennung richtig überwunden hatte. Es kriselte schon seit längerem. Aber als mein Mann dann auszog, hatte ich zunächst große Zweifel, ob das alles so richtig war. Zum Glück hatte ich auch während unserer Ehe weiter als Krankenschwester gearbeitet, wenn auch eingeschränkt. Jetzt habe ich meine Stundenzahl aufgestockt und zusammen mit dem Unterhalt kommen wir einigermaßen über die Runden. Große Sprünge sind nicht drin und Urlaube fallen zurzeit noch flach. Wichtiger ist mir, dass wir nun wieder ein schönes Zuhause haben und die Kinder fröhlich sind. Ich finde sogar, sie sind viel selbständiger geworden."
Viele Frauen nehmen, wenn der Schmerz der Trennung überwunden ist, ihr Leben voller Energie wieder in die Hand. Auf das Wohl ihrer Kinder bedacht, absolvieren sie ein enormes Pensum: Sie sichten die Finanzen, führen - wenn nötig - Gespräche mit den Banken, begeben sich auf die Suche nach einer Arbeitsstelle, nach einer Kinderbetreuung mit längeren Öffnungszeiten oder verhandeln mit ihrem Arbeitgeber darüber, ob sie ihre Arbeitszeiten ändern können. Sie nehmen Kontakt zu Beratungsstellen auf, informieren sich über Unterhalts-, Sorgerechts- und Umgangsfragen und müssen oftmals kräftezehrende Auseinandersetzungen der Anwälte überstehen. Häufig steht ein Umzug an, wenn die alte Wohnung oder das Haus zu teuer geworden sind. Die Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft, ohne dass die Kinder Kindergarten oder Schule wechseln müssen, ist ebenfalls eines der typischen Probleme, die Alleinerziehende zu bewältigen haben.
Gisela Z. erzählt: "Die erste Zeit nach der Trennung war hart. Heute bin ich stolz darauf, dass wir so einen reibungslosen und harmonischen Alltag haben. Ich denke, ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, dass mein Sohn einen guten Kontakt zu seinem Vater aufbauen konnte. Das war sehr anstrengend, aber es hat sich gelohnt. Unser Alltag läuft nach ganz bestimmten Regeln ab. Wenn Niklas aus dem Hort kommt und ich von der Arbeit, trinken wir zum Beispiel erst einen Kakao zusammen und erzählen vom Tag, bevor ich die Hausarbeit erledige und Niklas zum Spielen geht. Wir haben oft andere Kinder in der Wohnung, und das finde ich für uns beide sehr schön. Meine Freundinnen haben mir von Anfang an sehr geholfen und springen auch jetzt noch ein, wenn ich länger arbeiten muss oder mal ins Kino möchte und mir keinen Babysitter leisten kann."
Ein gut ausgebautes soziales Netz, wie Gisela Z. es beschreibt, ist ein wesentlicher Faktor dafür, dass Eltern und Kinder nach einer Trennung nicht in ein emotionales Loch fallen oder im alltäglichen Chaos versinken. "Die Pflege von sozialen und informellen Netzwerken (wie Freundschaften, Nachbarschaften, Verwandtschaften) ist neben der Nutzung von formellen Netzwerken (zum Beispiel Ämter oder Beratungsstellen) äußerst ertragreich für die Ratio- und Gefühlswelt." Das beobachtete Veronika Hammer von der Universität Erfurt, als sie die Lebenslage Alleinerziehender genauer unter ihre wissenschaftliche Lupe nahm. Anders formulieren es Monika Czernin und Remo H. Largo in ihrem Buch "Glückliche Scheidungskinder": "Gefühle gehen gewissermaßen ungebremst auf das Kind über. (...) Deshalb sind andere Bezugspersonen für Kinder so wichtig, die helfen, das emotionale Gleichgewicht immer wieder herzustellen. (...) Eltern in Trennung und Scheidung brauchen Erwachsene, die sie zeitlich entlasten und mithelfen, die emotionalen Bedürfnisse der Kinder zu befriedigen."
Allein zu erziehen ist zumindest eine Zeitlang eine gute Alternative. So empfinden es viele Eltern, die sich nach oft jahrelangen zermürbenden Streitereien auf eine Trennung einigen. Gelingt es ihnen, die Bedürfnisse der Kinder sowie ihre eigenen im Blick zu behalten und einen gut strukturierten Alltag aufzubauen, so steht einem gesunden Familienklima nichts im Wege. Inzwischen häufen sich die Beobachtungen von Fachleuten, dass eine saubere Trennung für die Ausgeglichenheit von Eltern und Kindern wirkungsvoller sein kann als das Verharren in einer unzufriedenen Familie. 2003 wuchs jedes fünfte Kind in einer Einelternfamilie auf. Zu rund 85 Prozent bleiben die Kinder bei den Müttern. Henning Dimpker, Mitglied im nordrhein-westfälischen Landesvorstand des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV), gehört zu den wenigen Ausnahmen. Er erzieht seine beiden Töchter allein und weiß, dass Kindererziehung und Haushaltsführung mit der klassischen männlichen Erwerbsbiografie nur schwer in Einklang zu bringen sind. "Das ist einer der Gründe, warum Väter sich nach einer Trennung schwer damit tun, die Kinder zu sich zu nehmen."
Peggi Liebisch, Bundesgeschäftsführerin des VAMV mit Sitz in der Hauptstadt, hält fest: "Einelternfamilien sind eine Familienform unter vielen geworden. Sie wird von einem großen Teil der Mütter und Väter sehr selbstbewusst gelebt. Erschwert wird ihnen dies jedoch durch eine Politik, die die Erwerbstätigkeit von Eltern grundsätzlich vor Probleme stellt. Wir fordern deshalb seit Jahren flächendeckend Ganztagsschulen und einen Rechtsanspruch auf ganztägige Kinderbetreuung." Stephan Lüke
Stephan Lüke ist freier Journalist in Bonn.