Ein Kennzeichen unseres demokratisch verfassten Staates ist die aktive Beteiligung seiner Bürger und Bürgerinnen am Gemeinwesen. Neben den Sektoren Staat und Markt ist es insbesondere der so genannte "Dritte Sektor", in dem sich die Zivilgesellschaft manifestiert, das heißt wo die gestaltende Kraft der Bürger und Bürgerinnen unmittelbar zum Tragen kommt beziehungsweise kommen kann. Die Lebendigkeit und der Einfluss der Zivilgesellschaft zeigt sich im Grad der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung für das Gemeinwohl.
Bürgerschaftliches Engagement zeigt sich vielgestaltig und ist eine zentrale Ressource für die Qualität von Gesellschaft und (Sozial-)Politik. Das hat die Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" des 14. Deutschen Bundestages ausführlich und detailreich untersucht und festgehalten. Neben der Darstellung der vielfältigen Erscheinungsformen sind eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen und notwendigen Rahmenbedingungen entwickelt worden, die breit diskutiert und zum Teil bereits umgesetzt sind (zum Beispiel ausreichender Versicherungsschutz).
Trotz des gesellschaftlichen Wandels, der sich in den Motiven für eine freiwillige Arbeit und den inhaltlichen Engagementbereichen erkennen lässt, fühlt sich das Deutsche Rote Kreuz dennoch durch die Ergebnisse der Enquete-Kommission bestärkt, da sie den traditionellen Hilfs- und Wohlfahrtsorganisationen weiterhin eine hohe Relevanz zuspricht. Seit 1997 verfolgt das DRK mit seiner Strategie zum Ehrenamt unter dem Motto "Das traditionelle Ehrenamt halten - das neue Ehrenamt gewinnen" das Ziel einer strategischen Neuausrichtung der DRK-Ortsvereine und Kreisverbände. Im Kern geht es darum, die Attraktivität dieser Basisgliederungen für alle Interessierten so zu erhöhen, dass sie sich beim ersten Kontakt gut aufgenommen fühlen, über unterschiedliche Mitwirkungsmöglichkeiten informiert und im Rahmen von professioneller Begleitung umfassend auf ihre Aufgaben vorbereitet werden.
Die ehrenamtliche freiwillige Arbeit ist Ursprung und Zukunft des Roten Kreuzes. Sie stellt sicher, dass - überall auf der Welt - notleidenden Menschen Hilfe zuteil wird. Die Hilfe auf Gegenseitigkeit war einer der zentralen humanitären Grundgedanken Henry Dunants.
Bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts fanden auf der einen Seite Adel und Bürgertum, auf der anderen Seite große Teile der einfachen Bevölkerung sich in der Erfüllung humanitärer Aufgaben im Roten Kreuz zusammen: Im Rahmen des Militärs war der Sanitätsdienst ein Schwerpunkt (als Übernahme einer staatlichen Aufgabe), auf der anderen Seite waren es sozialpflegerische und gesundheitliche Tätigkeiten. Diese Aufgabendopplung finden wir so noch heute in der Funktion des DRK als Nationale Hilfsgesellschaft und als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege. In beiden Aufgabenbereichen sind die fünf ehrenamtlichen Rotkreuzgemeinschaften (Bereitschaften, Berg-wacht, Wasserwacht, Arbeitskreise der Sozialarbeit und Jugendrotkreuz) tätig, je nach Aufgabenfeld gerade auch ergänzend zu den von den hauptberuflichen Mitarbeitern wahrgenommenen Aufgaben.
Die humanitäre Hilfe im Inland umfasst sowohl Katastrophen- und Zivilschutz (Bevölkerungsschutz), Rettungsdienst und Erste Hilfe als auch Kinder- und Jugendhilfe, Altenhilfe und Migrationsarbeit sowie - als ein besonderes Spezifikum - die Verbreitung der Grundsätze des Humanitären Völkerrechts.
Neben diesen Tätigkeiten gehört zu den Aufgaben des DRK aber auch die Arbeit in den Krisengebieten dieser Welt. Häufig fungieren die Mitarbeiter des DRK als sogenannte Projektleiter, die gemeinsam mit den Schwestergesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes vor Ort ehrenamtliche Helfer und Helferinnen ausbilden. Aktuelle Beispiele dieser internationalen Hilfe sind beispielsweise die medizinische Versorgung in Dafur (Sudan), viele Aids-Projekte im südlichen Afrika (Xaixai in Mosambik, in Lesotho und Mombasa in Kenia; Schulung der ehrenamtlichen Rotkreuzhelfer in häuslicher Pflege und Prävention/Aufklärung). Der dritte große Aufgabenbereich umfasst die Themen "Wasser und Sanitär": Die ehrenamtlichen Helfer werden ausgebildet in Hygiene beziehungsweise hygienischen Maßnahmen; ehrenamtliche "Wasserkomitees" gewährleisten die Reinhaltung der Brunnen in den Dörfern.
Unterschiedlichste Formen ehrenamtlichen Engagements sind unter dem Dach des DRK möglich: ob als Helfer, Mitarbeiter, als Führungskraft in den RK-Gemeinschaften oder als Vorstandsmitglied; aber auch die Mitarbeit (ohne Mitgliedschaft) an niedrigschwelligen, zeitlich befristeten Projekten ist längst kein Neuland mehr.
Angesichts der öffentlichen Diskussionen um Veränderungen im Wehr- und Zivildienst und der weiteren Ausgestaltung der Zivilgesellschaft entwickelte das DRK als Träger von Zivildienst und Freiwilligendiensten auch seine Vorstellungen für "neue generationsübergreifende Freiwilligendienste". Diese sollen ab Herbst diesen Jahres in verschiedenen Modellvorhaben erprobt werden.
Auch die demografische Entwicklung in unserer Gesellschaft stellt das DRK vor neue Herausforderungen. Knapp lässt sich diese Entwicklung so kennzeichnen: Der Anteil der hochbetagten Menschen nimmt immer stärker zu - sie bedürfen der Unterstützung, Zuwendung und Pflege - der Anteil der Jüngeren nimmt ab. Gleichzeitig sind immer mehr ältere Menschen körperlich und geistig fit und suchen - nach der Erwerbsphase - sinnstiftende Aufgaben. Wir sollten uns bei der Ansprache potenzieller Freiwilliger bewusst auf Frauen und Männer im "höheren" Lebensalter, die sogenannten "Jungen Alten", konzentrieren - ohne Jugendliche und die mittlere Altersgruppe aus dem Blick zu verlieren. Ihre sozialen Kompetenzen sowie ihre wertvolle Lebenserfahrung sind ein "Schatz", der geachtet und umworben werden will. Mit attraktiven Angeboten zur Mitarbeit kann das DRK diese Menschen gewinnen, um seine sozialen und humanitären Aufgaben weiterhin zu bewältigen.
Mit Blick auf die Jugendlichen ist für das Deutsche Rote Kreuz die Zusammenarbeit mit den Schulen (gerade auch in der Diskussion um die Ganztagsschulen) evident. Qualifizierte Angebote wie zum Beispiel Schulsanitätsdienst oder die Ausbildung zu Streitschlichtern führen Kinder und Jugendliche heran, Verantwortung für und in einer Gemeinschaft zu übernehmen und vermitteln zugleich die Werte und Aufgaben des Roten Kreuzes.
Das Deutsche Rote Kreuz war und ist ein lebendiger und aktiver Bestandteil der Bürgergesellschaft: Es ist die größte humanitäre Bürgerbewegung in der Bundesrepublik, gekennzeichnet durch ehrenamtlich tätige Vorstände und - neben dem hauptamtlichen Personal - ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Daten sind beeindruckend: 4,8 Millionen Mitglieder, mehr als 320.000 sind ehrenamtlich aktiv, 516 Kreisverbände und ungefähr 5.000 Ortsvereine. ABER: Die Ehrenamtlichen müssen sich mit ihren Anliegen in der Organisation aufgehoben und geachtet fühlen, müssen Anerkennung und Unterstützung für ihren ehrenamtlichen freiwilligen Einsatz finden.