Das Erscheinungsbild des Parlamentarismus in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt seit Jahren Wissenschaft und Politik. Unstrittig ist, dass das föderale System zur Bewältigung der dringenden Zukunftsaufgaben reformiert werden muss. Zu diesem Zweck wurde eine Bundesstaatskommission eingerichtet, die im Dezember ihren Bericht vorlegen wird. Diskutiert wird über Richtung und Reichweite der Reformmaßnahmen. Die augenblickliche Debatte bewegt sich zwischen Beteiligungsföderalismus einerseits und Wettbewerbsföderalismus andererseits. Die Vertreter der ersteren Richtung berufen sich auf das Leitbild des Grundgesetzes, wonach gleichwertige Lebensverhältnisse anzustreben sind: Solidarität sei wichtiger als Wettbewerb. Für die Verfechter des Wettbewerbsföderalismus ist das Grundgesetz in dieser Frage offen; es ermögliche vielgestaltige Regelungen in den Ländern: Entflechtung der bundesstaatlichen Ordnung stärkt die Kompetenzen der Länder und Landtage, so ihr Credo. Ziel der Reformen sollte eine föderale Ordnung sein, die effizienter ist und den Wettbewerb um politische Lösungen ermöglicht.
Der Föderalismus bildet einen zentralen Eckpfeiler der demokratischen Ordnung in der Bundesrepublik. Die Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern hat dazu beigetragen, Macht zu begrenzen und zu kontrollieren. Die Feststellung, dass das föderale System zum Hindernis bei der Umsetzung von Reformen geworden ist, bedarf der Differenzierung. Ebenso scheint die These von der schwindenden Kompetenz und dem Einflussverlust der Länderparlamente nicht überzeugend zu sein. Diese unterliegen eher einem Funktionswandel, wie Werner Reutter feststellt. Dass eine Übertragung von Kompetenzen auf die Länder zwangsläufig eine Stärkung der Landesparlamente nach sich zieht, muss nicht unbedingt zutreffen. Es könnte aber zu einer stärkeren Fragmentierung des politischen Systems in der Bundesrepublik führen. Die Frage kann zu Recht gestellt werden, ob das parlamentarische Regierungssystem auf Länderebene noch zeitgemäß ist. Frank Decker vertritt die These, dass durch die Einführung der Direktwahl der Bürgermeister/ -innen in den Kommunen heute überall eine präsidentielle Regierungsform vorzufinden ist. Da die materielle Politik in den Ländern näher bei den Kommunen als bei der Bundespolitik anzusiedeln sei, spräche einiges für die Übertragung des präsidentiellen Systems auch auf die Länderebene.
Der Bundesrat ist eine weltweit einzigartige Einrichtung und ein besonderes Strukturelement des deutschen Föderalismus. Seine Mitglieder werden von den Regierungen der Länder entsandt; sie sind weisungsgebunden. Diese Struktur ist immer wieder gelobt worden, weil dadurch die Verwaltungserfahrung der Länder Eingang in den Gesetzgebungsprozess des Bundes findet. Neben diesen Vorteilen wird von Zeit zu Zeit gegenüber dem Bundesrat aber auch der Vorwurf der "Parteipolitisierung" oder der "Blockadepolitik" erhoben, und zwar immer dann, wenn die Mehrheitsverhältnisse in dieser Kammer von denen im Deutschen Bundestag abweichen. Dass sich die Realität differenzierter darstellt, zeigt Klaus Stüwe, der eine Bilanz des Abstimmungsverhaltens im Bundesrat von 1949 bis 2004 zieht. Von einer Blockadepolitik könne keine Rede sein. Die Vetomacht des Bundesrates führe nicht zu Blockaden, sondern zu konkordanzdemokratischen Prozessen. Ziel dieser Politik sei immer der Kompromiss, der aber in einer Mediendemokratie weniger spektakulär ist als Streit und Blockade. Auch der Vorwurf der Parteipolitisierung geht letztendlich ins Leere, wie Sven Leunig feststellt.