Sie fordern die ukrainischen Staatsorgane auf, die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen für ungültig zu erklären und sie bis Ende dieses Jahres unter Mitwirkung internationaler Beobachter zu wiederholen. Hierbei müssen offene und transparente Wahlen gemäß internationalen demokratischen Standards sowohl während des Wahlkampfs als auch bei der Abstimmung und Stimmauszählung gewährleistet werden. Das Parlament wandte sich so auch gegen die von dem noch amtierenden ukrainischen Präsidenten Kutschma zunächst vorgeschlagenen Neuwahlen.
Zugleich werden die Behörden und Parteien weiterhin zur Gewaltlosigkeit aufgefordert. Für den Fall, dass die ukrainische Regierung dennoch gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vorgehen sollte, wird in der gemeinsam von sechs Fraktionen eingebrachten Entschließung mit dem sofortigen Aussetzen des Part-nerschaftsabkommens der EU mit der Ukraine sowie weiteren Sanktionen gedroht. In der Debatte hatten sich Sprecher aller Fraktionen in großer Einmütigkeit gegen die Aufspaltung der Ukraine in einen zur EU tendierenden Westteil und einen sich zu Russland orientierenden Ostteil ausgesprochen.
Als neue EU-Kommissarin für die Außenbeziehungen der Union sprach sich die frühere österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner für eine gewaltfreie Lösung aus. Aufgabe der Europäischen Union sei es, aktives Krisenmanagement zu betreiben. Europa versuche zurzeit in Kiew zu vermitteln. Dabei gehe es nicht um Einmischung zugunsten eines bestimmten Kandidaten. Die Ukraine müsse als funktionsfähiger Staat intakt bleiben, eine Spaltung würde zu einer großen Krise führen.
Zu den weiteren Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine bemerkte die Kommissarin, die Qualität der weiteren Partnerschaft hänge von der Qualität der Demokratie in dem osteuropäischen Land ab. In dem von der EU 1998 mit Kiew abgeschlossenen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen seien der Ukraine mehr als eine Milliarde Euro an Unterstützung aus dem Tacis-Programm gewährt worden.
Für den Ministerrat zeigte sich der niederländische Staatsekretär Nicolai besorgt über den am 30. November von der Opposition erklärten Abbruch der Gespräche mit der Regierung. Die EU stehe in dieser Situation jedoch weiterhin für eine Vermittlerrolle bereit. Jedoch ständen auch die OSZE, die USA und Russland in der Verantwortung für eine demokratisch-gewaltfreie Lösung der Krise, bei der die Achtung der territorialen Integrität des Landes ebenso gewährleistet sein müsse wie die Überwindung der in dieser Krise erkennbar gewordenen Spaltung der ukrainischen Gesellschaft.
Als Sprecherin der EVP sah sich die polnische Abgeordnete Saryusz-Wolski (EVP) ebenso wie ihr Landsmann, der frühere Ministerpräsident Bronislaw Geremek von den Liberalen, durch den Demokratisierungsprozess in ihrem östlichen Nachbarland an die Solidarnosz-Bewegung von 1980 in Danzig (Gdansk) erinnert, an dessen Ende hoffentlich die Entstehung eines vollwertigen Rechtsstaates stehe. Das Europäische Parlament sei mit den Menschen auf den Straßen von Kiew solidarisch. "Die Ukraine öffnet sich für Europa - die EU muss sich nun für die Ukraine öffnen", deutete Geremek als langfristige Perspektive an.
Martin Schulz (SPE/Deutschland) begrüßte die Einigkeit im Parlament. Wenn es um Frieden und die Garantie der bürgerlichen Grundrechte und Freiheiten gehe, dann stehe man in Europa gemeinsam auf einer Seite. Die EU sei das erfolgreichste multinationale Demokratie-modell der Welt. Vor Ort sei eine Massenbewegung wie die in der Ukraine nur schwer zu steuern; zwischen einer friedlichen Lösung und einem Blutbad sei nur ein schmaler Grat. Daher sei eine Vermittlung seitens der EU enorm wichtig.
Elmar Brok (EVP/Deutschland) ergänzte, das Parlament stelle sich dabei nicht auf die Seite eines Kandidaten, sondern auf die der Demokratie. Wahlbetrug könne nicht zur Anerkennung von Wahlen führen. Das Recht auf Selbstbestimmung der Völker dürfe nicht in Frage gestellt werden.