Eine strahlende, farbenfroh gekleidete Frau blickte Mitte Oktober von den Titelseiten deutscher Tageszeitungen: Die Kenianerin Wangari Muta Maathai, Biologin, Umweltaktivistin und Frauenrechtlerin erhielt 2004 als erste Afrikanerin den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz für "nachhaltige Entwick-lung, Frieden und Demokratie". Ein positives Bild vom afrikanischen Kontinent, das allerdings in deutschen Medien eher die Ausnahme ist. Stattdessen bestimmen Berichte über Krisen, Katastrophen und Kriege die Vorstellungen der meisten Deutschen über Afrika. Hunger, Not und AIDS sind Vokabeln, die schnell über die Lippen kommen, geht es um den zweitgrößten Kontinent dieser Erde, der sich aus 55 Staaten zusammensetzt und eine Fläche von über 30 Millionen Quadratkilometern hat. Schule, Institutionen der politischen und kulturellen Bildung und natürlich auch die Medien können den Weg fort von einseitigen Klischees und hin zur Wahrnehmung einer vielschichtigen Wirklichkeit weisen, in der Entwick- lung und Wandel Afrikas sichtbar werden.
Um das Afrikabild zu verändern und zu erweitern hat die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) Afrika für die nächsten drei Jahre zu ihrem Schwerpunkt gemacht. Die Bundeszentrale will ihrem Schwerpunkt "Africome" die reale politische und gesellschaftliche Vielfalt des Kontinents abbilden, bestehende eurozentrische Vorurteile analysieren und abbauen und dabei insbesondere für junge Menschen neue Beteiligungsformen initiieren.
Die Tour Kap-Kairo ist ein Beispiel dafür, wie Kinder und Jugendliche mit dem Thema "live" in Berührung kommen können. Zwei Monate reiste der Hörfunkjournalist Ludger Schadomsky im Auftrag des SWR2 vom Kap der guten Hoffnung bis nach Kairo, um auf verschiedenen Zwischenstationen ein Stück afrikanische Realität nachzuzeichnen. Auf Initiative der Bundeszentrale für politische Bildung traten bundesweit sechs Schulen dank Satellitentelefon mit dem Journalisten und afrikanischen Jugendlichen in Kontakt. Sechstklässler telefonierten mit Altersgenossen in Soweto. Die Betreuung der Schulklassen und die thematische Vorbereitung der Live-Schaltungen übernahmen afrikanische Studenten. Die Erfahrungen und Erkenntnisse verarbeiteten die Schüler und Schülerinnen in Reportagen, Websites oder in Filmen. Afrikanische Studierende wiederum bildeten eine Jury und werteten die Beiträge aus.
Solche Projekte, die aufgrund ihrer Intensität Spuren in der Erfahrungswelt von Kindern und Jugendlichen hinterlassen, scheinen um so notwendiger zu sein, je mehr man den Analysen der Erziehungswissenschaftlerin und Autorin Anke Poenicke folgt. Sie hat für die Konrad-Adenauer-Stiftung die Expertise "Afrika realistisch darstellen - Diskussionen und Alternativen zur gängigen Praxis - Schwerpunkt Schulbücher" erarbeitet. Bei ihren Untersuchungen konzentrierte sie sich auf Erdkunde- und Geschichtsbücher sowie auf Materialien aus den Fächern Fremdsprachen, Ethik und Religion und Musik. Poenicke kam zu dem Ergebnis, dass Afrika lediglich "ein Thema ist, wenn es direkt mit Europa zu tun hat; für sich scheint es unwichtig". Thematisiert werde vor allem der Mangel. Die Rolle Deutschlands und Europas würden kaum selbstkritisch reflektiert. "Fremdes" werde überbetont, afrikanische Perspektiven oder gar wissenschaftliche Erkenntnisse würden selten vermittelt. Poenicke: "Koloniale Termini wie beispielsweise Stämme, Mischlinge oder Buschmänner leben fort." Sehr kritisch beurteilt die Wissenschaftlerin, dass in der Schule mit Büchern gearbeitet wird, die von Lehrern geschrieben wurden, die zum einen nicht die Zeit gehabt hätten, seriös zu recherchieren, zum anderen in ihrer Ausbildung Afrika vermutlich nicht als Schwerpunkt gehabt hätten. Poenicke plädiert dafür, Afrika in der Schule zu behandeln, wie jeden anderen Kontinent. "Im Prinzip sollten die selben Regeln gelten wie für die Darstellung Europas, zum Beispiel wissenschaftlich korrekte und keine negativ konnotierte Terminologie, mehr Eigen- und Fremdperspektiven, Afrika als Kontinent mit einer aufschlussreichen eigenen Geschichte und mit ganz unterschiedlichen Facetten. Schule, die das Selbstbewusstsein fördert und die Lernenden stärkt, wird ihnen außerdem leichter ermöglichen, sich von den alten Zerrbildern von Afrika und von sich selber zu lösen."
Ein besonderer Jahrestag bot die Chance, nach vorne zu schauen. Zehn Jahre ist es her, dass Südafrika die Apartheid abgeschafft hat. Die Bundeszentrale richtete aus diesem Anlass den Blick auf die Gegenwart des Landes, nämlich auf die Kultur. Sie unterstützte Stars der südafrikanischen Musikszene bei ihrer Tour durch deutsche Schulen. Doch nicht nur Musik, Film und Literatur sind sinnliche Medien, die das Image von einem von Krieg und Hunger geprägten Kontinent in ein anderes Licht rücken. Ein modernes Afrika fängt auch bei der Kleidung an. "Kaum etwas ist weiter entfernt vom "Trommelimage" oder dem Bild des "schnitzenden Afrikaners" als die schrille und ultramoderne Haute Couture der Großstädte Afrikas", so die Agentur Griot. Die Bundeszentrale arbeitet mit einer der bedeutendsten Modeschöpferinnen und erfolgreichsten Geschäftsfrauen Afrikas zusammen. Die Senegalesin Oumou Sy ist nicht nur Modeschöpferin, sondern eine Kosmopolitin, die als Unternehmerin und Managerin, als Arbeitgeberin und Ausbilderin, Förderin sowohl der Frauenbewegung wie auch der Internet-Community in Dakar so gar nicht dem Bild der unterdrückten afrikanischen Frau entspricht.
Viele Einflüsse prägen das Afrikabild der Deutschen. Oftmals stehen die Differenzen, das Anderssein im Vordergrund der Wahrnehmung. Es gilt die Gemeinsamkeiten im Denken, Fühlen und Handeln stärker hervorzuheben. Nur so können vorherrschende Afrikabilder nachhaltig verändert werden, bis hin zur Sprache. Vielleicht gehören dann der Negerkuss, der "Mohr" in der Werbung und Kinderlieder wie "Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann" bald der Vergangenheit an.