Das kommt nur selten vor: Eine evangelische Synode, in diesem Fall die der drei Millionen Mitglieder zählenden Evangelischen Kirche im Rheinland, dankt Bundesländern, Städten und Gemeinden für ihr Engagement zugunsten der Kindergärten. Nur so war es möglich, dass in der sich auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen erstreckende Landeskirche nicht noch mehr Tageseinrichtungen für Kinder schließen musste. Denn nicht nur die öffentlichen Kassen sind leer, sondern auch die kirchlichen. Zugleich machte aber das im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr tagende Parlament der rheinischen Protestanten deutlich, dass die Kirche künftig nicht mehr als zehn Prozent der Betriebskosten (das sind die Aufwendungen für Personal und Sachkosten) aufbringen will und kann.
Der für Kindergärten und Schulen zuständige Oberkirchenrat Harald Bewersdorff bringt die schwierige Situation auf einen einfachen Nenner: "Je jünger die Kinder sind, desto weniger Geld ist für sie da." Soll heißen, für den Kindergarten gibt es weniger Geld als für die Grundschule, für das Gymnasium weniger als für die Universität. Dabei hat er die PISA-Studien auf seiner Seite. Bereits im Kindergarten fällt die Entscheidung über die Chancengleichheit der jungen Menschen im Bildungsbereich. Und er erinnert die Politiker in den Landes- und Kommunalparlamenten, dass allein die rheinische Kirche pro Jahr etwa zehn Prozent ihrer gesamten Kirchensteuereinnahmen eben für den Kindergarten aufwendet, nämlich zwischen 50 und 60 Millionen Euro.
Eigentlich ist der Staat für die 100-prozentige Finanzierung der Kindergärten zuständig. Doch die Gesetze der Länder nehmen neben den Eltern auch die freien Träger in die Pflicht. Sie müssen einen Teil der Betriebskosten selbst aufbringen. Da die Zuschüsse der meisten Bundesländer (sowie Städte und Gemeinden) immer weiter sinken, müssen die Kirchen immer höhere Zuschüsse leisten. Und genau das können sie immer weniger. Dazu kommt, dass in einigen Regionen bereits jetzt die Kinderzahlen rapide sinken und die Kirchengemeinden als Träger der meisten kirchlichen Kindergärten entweder Gruppen abbauen oder ganze Einrichtungen schließen müssen.
Gegenwärtig unterhält allein die Evangelische Kirche im Rheinland 867 Tageseinrichtungen für Kinder mit 54.600 Plätzen. Dabei werden auf der Basis von Studien zur Demographie aus dem Jahr 2003 die Kinderzahlen allein in Nordrhein-Westfalen um rund 22 Prozent bis zum Jahr 2015. Doch legt man eine Gruppengröße von 20 Kindern zugrunde, dann reichen die jetzt vorhandenen Kindergärten auch in zehn und mehr Jahren nicht aus. Denn die Gruppen verfügen in der Regel aus Kostengründen über erheblich mehr Kinder.
Immerhin hat Nordrhein-Westfalen festgelegt, dass der kirchliche Eigenanteil an den Betriebskosten eines Kindergartens 20 Prozent nicht übersteigen darf. Ein Prozentsatz, der oft niedriger liegt als in anderen Ländern, aber aus kirchlicher Sicht immer noch zu hoch ist. Schlichtweg um genau zehn Prozent. Die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland verkennt nicht, dass viele Kommunen in den letzten Jahren bereit waren, die kirchliche Kindergartenarbeit mit erheblich höheren Geldbeträgen zu unterstützen als gesetzlich vorgeschrieben. Ansonsten hätten freilich viele kirchliche Kindergärten nicht mehr überlebt und der Ersatz durch die Kommune wäre wahrscheinlich noch teurer gekommen.
Warum gibt die Kirche nicht ihre Tageseinrichtungen für Kinder auf, wenn sie diese auf Dauer nicht mehr finanzieren kann? Zum einen, weil die Mitglieder erwarten, dass ihre Kirche einen Kindergarten unterhält. Zum anderen, weil der Kindergarten zur Aufgabe einer Kirchengemeinde gehört, die sich für die Gesellschaft verantwortlich weiß. Zum dritten, weil der Kindergarten für die christliche Prägung des jungen Menschen von erheblicher Bedeutung ist. Zum vierten, weil dem Kindergarten eine große Aufgabe im Blick auf die Bildungschancen des jungen Menschen zufällt.
Gleichzeitig setzt sich die rheinische Landessynode für mehr bürokratische Beweglichkeit ein, die den Tageseinrichtungen für Kinder auch neue Möglichkeiten einräumen - von der Aufnahme von Kindern unter drei Jahren (hier besteht noch ein großer Nachholbedarf) bis hin zur nachmittäglichen Gestaltung der offenen Ganztagsschulen. Vor allem für den Bereich der Grundschule. Viele kirchliche Kindergärten sind längst in der Lage, auch behinderte Kinder aufzunehmen. Das hat sich sehr bewährt. Gleiches gilt für die Aufnahme ausländischer Kinder, deren Integration dadurch erheblich gefördert wird.
Für den evangelischen Kindergarten gilt auch in Zukunft, so die rheinische Landessynode, die unaufgebbare Einheit von Bildung, Erziehung und Betreuung. Im Blick auf die PISA-Studien fühlt man sich gewappnet, zumal man über ein teilweise hervorragend ausgebildetes Kindergartenpersonal verfügt. Doch der kirchliche Kindergarten hat nur dann eine Zukunft, wenn der Staat ihm nicht immer neue finanzielle Lasten aufbürdet.