Vordergründig betrachtet drehte sich die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit zunächst um die Finanzierung. Der Hauptstadtkulturfonds hatte für das Projekt 100.000 Euro zur Verfügung gestellt. Eine Summe, die schon in Anbetracht der maroden Berliner Finanzsituation bei manchem Beobachter Kopfschütteln hervorrief. Letztlich ging es dabei aber auch immer um die Interpretationshoheit des Terrorismus der 70er- und 80er-Jahre. Die RAF hatte die damals noch recht junge Demokratie in der Bundesrepublik in Aufruhr und Aufregung versetzt. Menschen wurden entführt, erschossen und hingerichtet. Zugleich entstand aber auch eine Mythenbildung um die Terroristen. Und zwar nicht nur zu der Zeit, als sie aktiv war, sondern gerade in jüngster Vergangenheit. Theatermacher wie John von Düffel oder Autoren wie Leander Scholz und Moritz von Uslar, der das Drehbuch für Christopher Roths umstrittenen Film "Baader" geschrieben hat, formten aus Terroristen das Personal für einen Pop-Mythos.
Vor diesem Hintergrund musste eine Ausstellung über die RAF polarisieren. Sensibilisiert waren zunächst die Angehörigen der Opfer. Sie stolperten über einen Satz, der sich in einem ersten Konzept zu der Ausstellung befand. Als handele es sich bei der Roten Armee Fraktion lediglich um eine weltverlorene Meditationsgruppe, fragte man in dem Papier: "Welche Ideale haben ihren Wert durch die Zeit behalten und können nicht als naiv abgetan werden." Für Hergard Rohwedder, Witwe des von der RAF ermordeten Treuhandchefs Detlev Rohwedder, muss ein solches Statement wie eine verspätete Entwürdigung gewirkt haben.
Sie machte ihrer Wut in einem Brief an den Bundeskanzler Luft. Von da an war das politische Berlin alarmiert. Noch bevor weitere Konzepte von den Kunst-Werken kommuniziert werden konnten, begann die öffentliche Erregung. Friedrich Merz, damals stellvertretender CDU-Fraktionschef, witterte einen "ungeheuerlichen Skandal", Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verspürte "erhebliche Bedenken", und die "Bild"-Zeitung fragte: "Warum zahlt Berlin 100.000 Euro für Skandal-Ausstellung über RAF?"
Nun war es in der Welt. Das kleine Wörtchen, das jedes Thema am Kochen hält, eine nüchterne Debatte aber unmöglich macht: "Skandal!" Von da an ging es kaum noch um die notwendige historische Bewertung des Linksterrorismus gut eine Dekade nach Selbstauflösung der RAF, nicht mehr um die Frage nach dem Zusammenspiel von Kunst und Terror oder der Medialisierung des Schreckens. Von da an ging es nur noch darum, trockenen Fußes aus der Sache wieder herauszukommen.
Die Kunst-Werke legten ein neues Konzept vor, das von jedem politischen Anspruch bereinigt war. Und Kulturstaatsministerin Christina Weiss wollte nur noch eins: Die 100.000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds zurück. Nach monatelangem Gezanke gaben die Kunst-Werke schließlich auf. Sie zogen ihren Antrag auf öffentliche Förderung zurück und versuchten, die Ausstellung aus Publikations- und Versteigerungserlösen bei Ebay zu finanzieren.
Außer der Feststellung, dass über 25 Jahre nach dem Deutschen Herbst die RAF noch immer emotionalisiert, hat die kulturpolitische Hakelei kaum Ergebnisse gezeitigt. Längst mag das RAF-Logo durch die Popindustrie gejamt worden sein und die Konterfeis von Andreas Baader und Gudrun Ensslin auf T-Shirts erhältlich sein. Im Unterbewusstsein der breiten Öffentlichkeit werden Hans und Gretel, so die Decknamen der beiden, dennoch nie zu einem verklärten Liebespaar aus dem deutschen Märchenwald. Sie bleiben jene Politkiller, die einst mit der Welt Himmel und Hölle spielten.
Ob die nun eröffnende Ausstellung dieses Bild verändern wird, muss sich zeigen. Fest steht bis dato nur, dass keine neuen künstlerischen Positionen zu sehen sein werden. Vielmehr haben die Kuratoren Klaus Biesenbach, Ellen Blumenstein und Felix Ensslin Arbeiten zusammengetragen, die seit Jahren in öffentlichen Museen und Ausstellungen zu sehen sind. Bekannte Werke wie Gerhard Richters Tafeln 470 bis 479 aus dem Zyklus "Atlas" oder eine dokumentierte Aktion von Joseph Beuys während der documenta 5. Dazu Arbeiten von jüngeren Künstlern wie Peter Friedl oder Johannes Wohnseifer.
Dass Kunst immer einen ganz eigenen Zugang zur "Bleiernen Zeit" hatte, ist nicht neu. Dabei geht es nicht nur, wie etwa bei den Arbeiten von Gerhard Richter oder Katharina Sieverding, um den Zweifel an der medialen Vermittlung. Vielmehr ist es eine immer wieder unterstellte Verwandtschaft, die Avantgarde und Terrorismus aneinander bindet. Eine Affinität, die in Karl Heinz Stockhausens legendärer Pressekonferenz kurz nach dem 11. September 2001 ihren vielleicht pervertiertesten Ausdruck fand. Damals machte der Komponist von sich reden, da er in den Anschlägen auf die Twin-Towers ein "größtmögliches Kunstwerk" erblickte. Der Gedanke ist bekannt. Schon Andreas Baader hat mit der künstlerischen Avantgarde Händchen gehalten. Der Vorstadt-Strizzi aus München, der einst für kurze Zeit an einer privaten Kunstschule studiert hatte, liebte es, unter den Kreativen seiner Epoche zu verkehren. Besonders die Kommune 1 um Dieter Kunzelmann und Fritz Teufel hatte es ihm angetan. Nicht umsonst ist später oft darüber spekuliert worden, ob der Gründungsakt der RAF, der Brandanschlag auf zwei Frankfurter Kaufhäuser, letztlich der Realitätsdurchbruch einer Performance der Berliner Künstlerkommune war.
Diese hatte nach einem Brand in einem Brüsseler Kaufhaus Ende der 60er-Jahre eine Broschüre unter dem Titel "burn ware-house, burn" verteilt. In einem etwas schnodderig-satirischen Tonfall wurde darin dazu aufgefordert, Berliner Kaufhäuser in Flammen aufgehen zu lassen. Für die Kommune 1 stand diese Geschmacklosigkeit in einer Neodadaistischen Tradition. Eine Performance, die die Grenzen zwischen Kunst und Wirklichkeit aufheben wollte. "Brüssel wird Hanoi", so der legendärste Satz des kleinen Traktates.
Für Avantgarde und Neo-Avantgarde blieben derartige Gedanken jedoch stets in einem abgesteckten Kunstkosmos. Ein Verbot des Ernstfalls hinderte daran, die entscheidende Grenze zu überschreiten. Derlei wusste schon André Breton, als er im berühmten "Manifest des Surrealismus" feststellte: "Die einfachste surrealistische Handlung besteht darin, mit Revolvern in den Fäusten auf die Straße zu gehen und blindlings so viel wie möglich in die Menge zu schießen."
So gesehen hat Andreas Baader die letzte Grenze zwischen Fiktion und Non-Fiktion aufgehoben. In einer Zeit, in der immer wieder das Verschmelzen von Kunst und Politik gefordert wurde, in der neue politische Spielarten wie Sit-In, Go-In und Happening praktiziert wurden, machte die RAF aus Kunst Ernst. Spaßguerilla goes Stadtguerilla. Während der "Wiener Aktionismus" um Hermann Nitsch noch darüber nachgrübelte, ob ein Mord Teil eines Kunstwerks sein könnte, drehte der Kunsthistoriker Boris Groys den Spieß um und ging so einen entscheidenden Schritt weiter: "Der Terrorist", so Groys, "ist ein moderner Künstler unter der Bedingung, dass das moderne Kunstsystem fehlt."
Vielleicht ist es in einem solchen Koordinatensystem etwas treuherzig davon auszugehen, dass eine Ausstellung, die sich der Auseinandersetzung mit der RAF in der Kunst verschrieben hat, das Prinzip Stadtguerilla entmythologisieren könnte. So zumindest war es in der ersten Planung offenbar gedacht gewesen. In ihrem Bezugsrahmen hat Kunst zunächst ein ganz eigenes Interesse am criminal chic. Kunst ist eben nicht immer der Bild gewordene Humanismus, sondern auch Kampfansage an die Wirklichkeit.
Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF. Ausstellung. Kunst-Werke. Institute for Contemporary Art. Berlin. 30. Januar bis 16 Mai. Zur Ausstellung sind zwei Kataloge erschienen.