Finanzen. Das deutsche Steuerrecht muss einfacher und gerechter werden. In dieser Forderung herrschte Einigkeit unter den geladenen Experten während einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 19. Januar. Grundlage der Diskussion waren ein Antrag der CDU/CSU zur Schaffung eines einfachen, gerechten und leistungsfreundlichen Steuersystems ( 15/2745) sowie der Gesetzentwurf für ein neues Einkommensteuerrecht der FDP-Fraktion ( 15/2349). Während der Entwurf der Union eine Vereinfachung des Steuerrechts durch Abbau von Ausnahmetatbeständen in Verbindung mit Steuertarifsenkungen vorsieht, wollen die Liberalen die Gewerbesteuer abschaffen und in die allgemeine Ertragssteuer integrieren.
Aus Sicht von Professor Paul Kirchhof von der Universität Heidelberg ist eine "fundamentale Reform" des Steuerrechts unverzichtbar. Das derzeitige Steuerrecht, so Kirchhof, sei zwar herrschendes Recht, aber dennoch "Unrecht". Er begrüßte insbesondere die in dem FDP-Entwurf vorgesehene Gleichbehandlung aller Einkommensarten. Dies könne ein Durchbruch sein und zugleich ein wichtiges Signal zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland.
Zustimmung erhielt er von Professorin Johanna Hey von der Universität Düsseldorf, die sich ebenfalls für eine Vereinfachung der Einkommensteuer aussprach. Noch wichtiger sei allerdings eine Senkung der Unternehmensteuern in Deutschland. Man sei im europäischen Steuerwettbewerb massiv zurückgefallen, da sich nicht zuletzt durch den EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten der Wettbewerbsdruck verstärkt habe. Die Reform der Unternehmensteuern könne daher nicht bis zur nächsten Legislaturperiode warten.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie wie auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag begrüßten ebenfalls die Vorlagen. Die Abschaffung der Gewerbesteuer könne ein Einstieg in die dringend notwendige Unternehmensteuerreform sein. Ebenfalls positiv bewertet wird die im Unionsmodell vorgesehene Entlastung der Betriebe bei der Erbschaftsteuer, wenn der Erbe den Betrieb fortführt. Dies sei aus volkswirtschaftlicher Sicht wichtig, um das Weiterbestehen mittelständischer Betriebe in der nächsten Generation zu ermöglichen. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft bezeichnete die Grundrichtung der beiden Vorschläge als "richtig und konsequent". Sie seien jedoch aufgrund der großen finanziellen Risiken für die öffentlichen Haushalte nur stufenweise und längerfristig umsetzbar.
Für die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände ist die Abschaffung der Gewerbesteuer hingegen "nicht tragbar". Es entstünden Steuerausfälle in Milliardenhöhe, deren Kompensation ungeklärt sei. Die Vertreter der Finanzministerien der Länder Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein schlossen sich der Kritik an. Angesichts der finanziellen Probleme der öffentlichen Haushalte seien weitere Steuermindereinnahmen nicht akzeptabel. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sieht derzeit keine Spielräume für Reformen, die Einnahmeverluste zwischen 13 und 27 Milliarden Euro zur Folge hätten. Die tatsächliche Steuerlast deutscher Unternehmen, so befand Professor Lorenz Jarass von der Fachhochschule Wiesbaden, liege deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Zwar befinde sich der nominelle Wert in der Tat an der oberen Grenze, doch die schlussendlich bezahlte Steuersumme liege "dramatisch" tiefer. Vor diesem Hintergrund sei eine Forderung nach Senkung der Unternehmensteuern nicht gerechtfertigt.