Ob man nach Auschwitz noch Gedichte schreiben könne, hat bald nach dem Krieg Theodor Adorno gefragt und das mit suggestivem Unterton verneint. Letztlich ließ sich die Literatur nicht aufhalten, viele eindrucksvolle literarische Zeugnisse belegen das. Sie sind besonders glaubwürdig, wo aus persönlichen Erfahrungen berichtet wird. Der Donath Verlag in Bremen hatte vor 15 Jahren einen kleinen Band "Auschwitz-Kinderlieder" herausgebracht, die jetzt wieder aufgelegt wurden, in betont schlichter Form und ohne jedes ästhetische Beiwerk. Der Autor ist ein Überlebender der Vernichtungslager; er wollte jedoch anonym bleiben, und so lässt nur die große Ausdruckskraft auf einen Meister der Sprache schließen. Fünf längere Gedichte enthält der kleine kartonierte Band, bedrückende Verse, die den Mord in den Gaskammern und das buchstäbliche Aufgehen in Rauch und Nichts beschreiben:
Als die Nacht kam / mit kühlem Hauch / War das Kind schon / im Himmel Rauch. Nichts ist geblieben / Von ihm bloß im Wind / fliegt vielleicht ein Staubkorn / Vom guten Kind.
Anonymus
Auschwitz-Kinderlieder.
Donath Verlag, Bremen 2005; 56 S., 6,50 Euro