Seit sieben Jahren setzt sich die Parlamentarische Versammlung des Europarats intensiv für ein wirksames Rechtsinstrument zur Bekämpfung des von der international organisierten Kriminalität betriebenen Menschenhandels ein. Doch was den Abgeordneten aus den Parlamenten der 46 Mitgliedstaaten jetzt vom Ministerkomitee des Europarats als künftiges Vertragswerk vorgelegt wurde, wird der Zielsetzung in keiner Weise gerecht.
Noch Ende 2004 schien ein akzeptabler Kompromiss möglich zu sein, doch sei der Entwurf im Laufe der Verhandlungen so abgeschwächt worden, dass er jetzt den Eindruck vermittele, die Mitgliedstaaten wollten sich vor illegaler Migration schützen - anstatt die Opfer vor den Verbrechern. Zu dieser Feststellung kam die Versammlung in ihrer einstimmig angenommenen Stellungnahme auf der Grundlage des Berichts der Schweizer Abgeordneten Ruth-Gaby Vermot-Mangold. Mit mehr als vierzig Änderungen versuchte die Versammlung deshalb den Schutz der Opfer wesentlich zu verstärken und den Vertrag rechtsverbindlicher zu machen. Falls die wichtigsten Änderungen von den Außenministern der Europaratsstaaten nicht übernommen werden, stellten die Parlamentarier klar, würden sie das Projekt nicht mehr unterstützen. Ohne eine zustimmende Stellungnahme kann das neue Vertragswerk nicht zur Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten aufgelegt werden.
Als wichtigste Änderungen fordert die Versammlung unter anderem einen Mindestzeitraum von 30 Tagen, während dessen die Opfer des Menschenhandels nach ihrem Aufgriff durch die Behörden in dem jeweiligen Land bleiben, sich erholen und entscheiden können, ob sie mit den Justizbehörden zusammenarbeiten wollen. Im Vertragstext war nur eine Frist von 24 Stunden vorgesehen.
Die oft in der Illegalität zur Prostitution gezwungenen Frauen brauchten zunächst Unterstützung und psychologische Betreuung, erklärte die Berichterstatterin, damit sie Abstand von der Zeit des Schreckens gewinnen könnten, um schließlich frei über eine Zusammenarbeit mit der Justiz und über ihre freiwillige Rückkehr in ihre Heimat zu entscheiden.
Voraussetzung dazu ist nach Ansicht der Parlamentarier eine Garantie, dass die Opfer der Menschenhändler, nicht auch noch strafrechtlich verfolgt werden. Der Ausschuss von Rechtsexperten, der die Konvention ausgearbeitet hat, soll nun Ende Februar 2005 diese Forderungen der Versammlung prüfen.
Der Handel mit Menschen ist nach dem Drogen- und Waffenhandel weltweit der drittgrößte illegale Handelsbereich mit enormen Profitschancen. Zur Schaffung eines verbindlichen internationalen Vertragswerkes zur Bekämpfung des Verbrechens gilt der Europarat als besonders geeignetes Forum, da in der Straßburger Staatenorganisation sowohl Herkunfts-, Transit- als auch Zielländer dieser Variante des organisierten Verbrechens vertreten sind.