Versammlungsrecht und Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland sollen in einzelnen Bestimmungen schärfer gefasst werden, um extremistischen Veranstaltungen und Verlautbarungen besser entgegentreten zu können. Nach einer Woche kontroverser Diskussion über diese Frage auch und gerade innerhalb des Regierungslagers debattierte der Bundestag am 18. Februar dieses Thema, wobei Gesetzesentwürfe von Koalition und Opposition vorlagen. Trotz kontroverser und zum Teil heftiger Aussprache klang aus allen Parteien der Wunsch an, in dieser Frage zu einer raschen Einigung zu kommen.
Aktueller Hintergrund hierzu waren bekannt gewordene Pläne der NPD, am 8. Mai mit einer Großdemonstration am Brandenburger Tor in Berlin an das Kriegsende vor 60 Jahren zu erinnern. Ein erster Gesetzesentwurf der Minister Zypries (Justiz) und Schily (Inneres) war überraschend von den Koalitionsfraktionen wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt und am 15. Februar durch einen eigenen Entwurf ersetzt worden. Danach sollen Versammlungen oder Demonstrationen verboten oder von Auflagen abhängig gemacht werden, sofern sie an Orten stattfinden, die "eindeutig" an Opfer einer menschenunwürdigen Behandlung erinnern; ferner soll bestraft werden können, wer NS-Verbrechen "billigt, rechtfertigt, leugnet oder verharmlost".
Die Opposition setzte bei ihrem Entwurf vor allem auf Bestimmungen für "befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes". Ihr erster Redner Wolfgang Bosbach kritisierte das Hin und Her zwischen Regierung und Koalition als "politische Realsatire" und plädierte für eine Ausweitung befriedeter Orte im Berliner Regierungsviertel auf das Brandenburger Tor und die nahe gelegene Holocaust-Gedenkstätte. Sein Parteifreund Hartmut Koschyk erklärte, die Union wolle einfach eine stärkere Handhabe, um Demonstrationen wie den geplanten NPD-Aufmarsch verbieten zu können. Thomas Strobl von der CDU/CSU nannte die Ereignisse der vergangenen Tage "ein Stück aus dem Tollhaus"; die Regierung habe viel zu spät auf sich anbahnende Ereignisse reagiert; auch der jetzige Koalitionsentwurf ermutige die Feinde der Demokratie mehr, als dass er sie abschrecke.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) richtete die "herzliche Bitte" an alle Parteien im Bundestag, in dieser heiklen Frage einen gemeinsamen Nenner zu finden. Weder die Vorstellungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen noch die Vorlage der Union sollten gleich abgewertet werden. Kritischer zum Unionsentwurf äußerte sich hingegen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD); er sei verfassungswidrig, da allein der Innenminister im Einvernehmen mit dem Bundestagspräsidenten über Ausnahmen vom Demonstrationsverbot entscheiden könne: "Diese Ausnahmen nach Herrschaftsgnaden sind mit unserer Verfassung nicht zu machen."
Stärker als die Redner der SPD warb der Bündnisgrüne Christian Stöbele dafür, das Brandenburger Tor für Demonstrationen offen zu halten. Aus eigener Erfahrung wüssten er und seine Partei, dass Demonstrationen auch Engagement für die Demokratie zeigten; seine Partei sei "geradezu aus dem Demonstrationsrecht geboren." Ströbele zeigte sich überzeugt, dass die Berliner Bevölkerung am 8. Mai eine Nazi-Demonstration verhindern werde. "Aufmärsche brauner Kolonnen" gerade am 8. Mai seien keine Demonstration mehr, "sondern ein Verbrechen".
Die FDP hatte keinen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt und sich auch keinem der anderen Anträge angeschlossen. Nach ihrer Meinung reichen die bestehenden Gesetze aus, um Verherrlichung und Verklärung der NS-Zeit zu verhindern. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Jörg van Essen kritisierte den Koalitionsentwurf als "mit heißer Nadel" gestrickt; aber nicht heiße Nadeln, sondern "kühle Köpfe" seien gefragt. Auch wer gegen Rechtsextreme vorgehe, müsse "streng auf dem Boden der Verfassung" bleiben und dürfe nicht problematische Gesetze "durchpeitschen".