In dem bewährten Jahrbuch aus Umweltpolitikanalyse, umweltinstitutioneller Selbstdarstellung, markanten Kurzzitaten und Satirischem geht es zunächst in eher allgemein-theoretische Sphären: Dies muss das Umweltbewusstsein immer wieder tun, will es sich denn selbst begreifen und weiterentwickeln.
Hervorzuheben ist der Begriff "Homo sustiniens": All die zum Teil sich scheinbar auch widersprechenden Bedeutungen des lateinischen "sustinere" - empor- und standhalten, wagen und verzögern, bewahren, ernähren und anhalten - spielen in diesen Begriff vom Menschen hinein. Mit Recht kann man Umweltmissachtung als Selbstmissachtung, Umweltzerstörung als Selbstzerstörung deuten. Aber selbst darin scheint das auf, was den Menschen ausmacht: Er kann sich über bloße Zwänge erheben, er muss folglich nicht notwendigerweise zerstörerisch wirken. Nur wenn man eine solche optimistische Vorstellung von dieser Spezies hat, kann man sich auch vorstellen, dass sie sich langfristig auf der Erde halten kann.
Angesichts der "alarmierenden Zögerlichkeit beim praktischen ökologischen Strukturwandel" fragt sich der Mitherausgeber, Günter Altner, ob das Grundübel im reichen Westen nicht in der abendländischen "Anthropozentrik" liegt, die die Natur immer nur im Sinne der Verwertbarkeit für den Menschen "bearbeitet". Dem kann man entgegenhalten: Zum einen ist der Mensch ja selbst auch Natur - eine Trennung hier Natur, da Mensch rein logisch also irreführend -, zum anderen gibt es im Abendland auch eine reiche, an die Offenbarung und das Christentum geknüpfte Traditionslinie, die Natur (und sich selbst) als Schöpfung aufzufassen und mit dieser "Leihgabe" entsprechend pfleglich und ebenbildlich-schöpferisch umzugehen.
Altner schildert, wie "innig" sich Kultur und Kunst mittlerweile mit Natur und dem Umweltthema befassen, man denke nur an Beuys' "Honigpumpe" oder seine Aktion der "7000 Eichen". Auch hier steckt der Gedanke dahinter: Man muss den Menschen jenseits aller strukturellen Zwänge, in denen er steckt, bei seinem Bewusstsein packen; dies kann, dies muss er ändern. Kultur und Kunst können dabei gute Dienste leisten, anders als die bisher ganz auf Zurichtung, Messung und Verwertung verengte Naturwissenschaft.
Neben dem Thema "nachhaltiges Wirtschaften" und "Ressourcenkonflikte" (die zum Teil kriegerisch ausgetragen werden) geht es schwerpunktmäßig um "regenerative Energien", so über die Wirkungen von Offshore-Windparks auf die Fauna: Wenn die Potenziale der Windenergie zu Lande bereits fast ausgeschöpft sind, und diese Art der regenerativen Energie Zukunft haben soll, dann könnte die offene See mit ihrem Dauerwind theoretisch ein guter Standort auch in deutschen Gewässern werden. Bisher kommt die ökologische Begleitforschung zu den 30 Windparkprojekten eher zu einer kritischen Einschätzung: Zwar würden sich an den Fundamenten der Anlagen Schwämme, Seepocken, Muscheln ansiedeln und ein reicher Fischbestand wäre die Folge , aber das wiederum zöge die Schweinswale und Seehunde an, wenn sie nicht bereits durch die Geräuschkulisse der Anlage vergrätzt werden und dadurch eventuell Lebensraum verlieren.
Es könnte aber auch eine Gewöhnung mit der fatalen Folge eintreten, dass die Seehunde quasi "schwerhörig" werden und damit an Überlebensfähigkeit einbüßen. Bisher sind nicht alle wichtigen Zusammenhänge aufgeklärt, worunter auch die Einwirkungen auf die See- und Zugvögel zählen. Erst wenn diese Forschung geleistet ist, kann und sollte man sich für solche Anlagen entscheiden, und dann eben an relativ umweltverträglichen Standorten.
Im Buchteil "Exempel, Erfahrungen, Ermutigungen" wird berichtet von neuen Impulsen für die Umweltbildung an Schulen durch den Dialog mit Unternehmen, über Sinn und Zweck des neuen Nordeifel-Nationalparks und der Möglichkeit, den Lärmpegel in Discos "lustverträglich" zu mindern, bis zur Webside für zukunftsfähige Lebensstile unter "www.lifeguide-muenchen.de", um nur einiges zu nennen. Insgesamt und erneut ein sehr reichhaltiges, konstruktiv-anregendes Umweltlesebuch.
Günter Altner (Hrsg.)
Jahrbuch Ökologie für 2005.
Verlag C.H.Beck Verlag (becksche reihe 1598),
München 2004; 288 S., 14,90 Euro
Der Autor ist freier Journalist in Bonn.