Wir leben in bewegten Zeiten. Wir bewegen uns zwar kaum, dafür werden wir bewegt. Oder wie der Berliner sagt: "Du denkst du schiebst, und wirst jeschoben." Da ist es gut, wenn der gemeine Bürger die täglich von höheren Wesen eingeforderte Flexibilität ein wenig in seinem vertrauten Alltag übt. Was man beispielsweise in Betriebskantinen und Restaurants, so man sie noch besuchen darf, erfährt. "Kann ich statt Kartoffeln auch Nudeln haben." "Ich hätte lieber Reis anstatt der Nudeln." "Für mich bitte einmal ohne Gemüse." "Krieg ich statt Schnitzel auch kein Schnitzel?" Und so weiter und so fort.
Schön, dass sich dieser Tauschzwang nun auch in anderen Etagen fortsetzt. Und so sehen wir erstaunt und mäßig interessiert im ZDF den CDU-Chef von NRW in einer fremden Küche putzen. "Ich liebe es ein bisschen ordentlicher", teilt Jürgen Rüttgers dem Publikum mit. Auch die SPD-Vizechefin Ute Vogt und die sächsische Grünenabgeordnete Antje Hermenau fragen sich öffentlich: Kann ich statt Politik mal was anderes in fremden Wohnungen machen? Aber immer, meint das Zweite Deutsche Fernsehen. Jetzt warten wir auf den Leninschen Umkehrschluss, dass auch eine Köchin den Staat leiten könne. Wie wäre es, wenn die Küchenfee, in deren Reich gerade Jürgen Rüttgers eingekehrt ist, den Vorschlag machte: Könnte ich statt Bratkartoffeln zu brutzeln mal ans Rednerpult im Düsseldorfer Parlament? Fernsehübertragung garantiert.
Der Bundeskanzler hat sein Verhältnis zum geplagten Außenminister schon mal mit dem Satz vom Koch und Kellner gußeisern gegen jeden Wechselkurs sanktioniert. Da verbieten sich alle Fragen. Oder nicht? Schweifen wir doch im Schillerjahr mal kurz ab. (Kann ich statt Schiller mal lieber?) Apropos Goethe. Dessen Begriff der Weltschöpfung hat der Philosoph und Zeitgenosse Friedrich Wilhelm Josef Schelling auf den Satz von der "Dauer im Wechsel" gebracht. Darüber wäre nachzudenken.
Derweil gibt es inzwischen die nötige Bewegung auch in der deutschen Sprache, die schon ohne Rechtschreibreform durch Wandel von Betonungen und Klangfarben in den Zustand der Kreolisierung gerät. Am schönsten manifestiert sich das wiederum in NRW, wo man einfach alle kurzen Vokale lang und alle langen kurz spricht, also Wuuust statt Wurst und Thirrrse statt Thierse. Määährwäärt statt Mehrwert oder Ommma statt Oma. Intellektuelle Gemüter bringen gleichfalls ihren Beitrag zur nötigen Mobilität. Gerade sie litten häufig in öffentlichen Diskursen unter einem Äh, das sich in ihre wegweisenden Statements schlich. Diese Zeit ist vorbei! Wer etwas auf sich hält, schließt nach dem Äh bedeutungsvoll kurz den Mund zu einem Ähhmm. Hört sich gut an, ist innovativ und ministrabel. Bringt große wie kleine Leute zusammen. Ähhmm, was ich noch sagen wollte: Ähhmm schließt den Mund und Käse den Magen. "Kann ich statt Käse eventuell...?" Aufhören!