Es ist kaum zu glauben, aber "Frauen sind ganz rationale Akteurinnen, wenn es um wirtschaftliches Handeln geht". Wer als Provenienz dieser furiosen Aussage einen feministischen oder zumindest frauenfreundlichen Zirkel ausmachen zu sollen meint, irrt. Die Weltbank war es, die sich vor nicht allzu langer Zeit zu diesem charmanten Statement hat hinreißen lassen. Aber: Wie ist beispielsweise zu erklären, dass es nie zuvor - zumal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland - so viele beruflich hochqualifizierte Frauen gegeben hat wie gegenwärtig, dies sich aber nicht positiv auf dem Arbeitsmarkt wider- spiegelt? Welche konkreten Auswirkungen hat die Globalisierung insbesondere auf den Dienstleistungssektor, in dem weltweit bis zu 70 Prozent Frauen beschäftigt sind? Und: Wird sich das so genannte "Aschenputtel-Syndrom", also die traditionelle Bevorzugung von Söhnen oder Schwiegersöhnen bei den zu Tausenden anstehenden Unternehmensübergaben an die kommenden Generationen fortsetzen?
Diese und weitere brisante Fragen problematisierten Ende Februar Wissenschaftler und Studenten aus fünf europäischen Ländern an der Universität Zürich im Rahmen der zweitägigen interdisziplinären Tagung "Genus Oeconomicum - Zur Ökonomie der Geschlechterverhältnisse" auch mit Blick auf den Weltfrauentag am 8. März. Zwar war die Gender-Studies-Tagung bereits die dritte ihrer Art. Mit der Entscheidung für die Fragestellung wie Frauen im klassischen Wirtschaftsleben von Unternehmen im Vergleich zu Männern Anteil haben, haben sie die Aufmerksamkeit auf eine vordringliche politische Problematik ebenso gelenkt wie auf ein Wissenschaftsfeld, das sich im Gegensatz zu den sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen einer genderrelevanten Beforschung lange verwehrt hatte und bis heute viele offene Felder aufweist.
"Die ökonomische Forschung hatte lange das Selbstbild und auch das Selbstverständnis, objektiv und rational und dabei von persönlichen Werten unbeeinflusst zu sein", konstatiert etwa Doris Weichselbaumer von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona. Die Ökonomin hat in ihrer empirischen Forschung den Blick unter anderem auf die Rhetorik der "Top Mainstream"-Journaille aus dem Bereich der Wirtschaft gerichtet. Sie hat eine Art anhaltendes Vermeidungsverhalten registriert, was speziell den Begriff der "Diskriminierung" angeht: "Mich hat interessiert, wie die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern in den Magazinen erklärt werden. Während qualitativ gute Studien die Formulierung der ,Diskriminierung' durchaus verwenden, ist diese in der übrigen Literatur über die Jahre zunehmend unpopulärer geworden." Das Wort Diskriminierung klingt unsexy, deshalb lässt man es lieber.
Wie aber kam es überhaupt zur Öffnung des Blickes der Gender-Thematik in der Ökonomie, die sich lange Zeit als besonders resistent gegenüber frauenrechtlerischen Bemühungen erwies? Die Initialzündung ging von der amerikanischen Historikerin Alice Kessler-Harris aus, die 1996 das Konzept der sogenannten "economic citizenship" einführte. Zusammen mit der ,political' und der ,social citizenship', die den Blick auf die staatspolitische und gesellschaftliche Stellung von Frauen richten, schien ihr das Ideentrio ein vielversprechender Ansatz dafür zu sein, die gesellschaftlichen Veränderungsbestrebungen der Frauen weltweit entscheidend zu beschleunigen. Außerdem wird durch das Konzept der "economic citizenship" ganz grundsätzlich klar, dass Frauen, sei es als Verbraucherinnen, Unternehmerinnen oder Arbeitnehmerinnen in wirtschaftliche Kreisläufe ebenso unauflösbar eingebunden sind wie die Männer. Spannend bleibt dabei die Frage, wie sich die Globalisierung auf die Geschlechter auswirkt. Die Prognosen, die Susanne Schunter-Kleemann dabei stellt, sind alles andere als erfreulich. Für die Ökonomin von der Hochschule Bremen sind die Frauen eindeutig die Verliererinnen, wenn es um die Folgen des "General Agreement on Trade and Services" geht: "Das GATS-Prinzip der fortschreitenden Liberalisierung unterwandert global hochbrisante Bereiche der bislang öffentlichen Daseinsvorsorge wie Energieversorgung, Verkehr, Bildung und Kultur. Frauen sind dramatisch betroffen in ihrer Rolle als Arbeitnehmerinnen, weil sie beim fortschreitenden Abbau der Arbeitsplätze ganz klar zum Einsparpotential zählen."
Solcher Skepsis steht allerdings gleich ein ganzes Bündel an Vorteilen und Chancen gegenüber, das die Globalisierung auch den Frauen bringt. Die internationale Frauenbewegung beispielsweise profitiert davon nachhaltig, was die Stärkung der Menschen- und Frauenrechte anlangt. Nicht nur, dass mit der "CEDAW", der "Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung von Frauen" ein internationales Regelwerk mit strengen Restriktionen vorliegt: Frauen können sich weltweit auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene auf diese Spielregeln berufen und der Globalisierung ein gleichsam lokal gefärbtes Gesicht geben. Für die Politologin Sibylle Hardmeier von der Universität Zürich ein guter Grund und Anlass, beim Nachdenken über die Zukunft der Ökonomie der Geschlechterverhältnisse einem "qualifizierten Optimismus" den Vorzug zu geben.