Dass das "Frauenthema" doch noch genügend Sprengkraft besitzt, zeigte sich bei der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des federführenden Familienausschusses ( 15/5052) zu einem Antrag der Union ( 15/4146), als die Koalition überraschend eine Niederlage - die erste in dieser Legislaturperiode - erlitt. Grund dafür: Es waren zu wenige Abgeordnete von Rot-Grün im Plenum anwesend. In ihrem Antrag würdigt die Union die 1994 ins Grundgesetz aufgenommene Passage, mit der die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zum Staatsziel erhoben wurde und fordert die Bundesregierung in 13 Punkten auf, die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen durchzusetzen. Die Abstimmung löste einen juristischen Streit aus: Während die Union darauf beharrte, mit der Ablehnung der Beschlussempfehlung, die ihrerseits die Ablehung des Unionsantrages vorsah, sei die Oppositionsinitiative "durchgebracht" worden, spielte die Koalition die Abstimmung herunter: "Nix beschlossen, nicht viel passiert", so die lapidare Feststellung des Parlamentarischen Geschäftsführers der Grünen, Volker Beck. Im Ältestenrat stellten am Abend dann SPD, Grüne und FDP fest, dass bei der Abstimmung nicht über den Unionsantrag selbst, sondern über die ablehnende Ausschussempfehlung entschieden worden war. Wegen der endgültigen rechtlichen Klärung wird sich der Geschäftsordnungsausschuss mit dem Thema noch befassen.
Zuvor stritten die Abgeordneten im Plenum in der Sache. Handlungsbedarf sah die SPD-Abgeordnete Christel Humme. Zwar seien Frauen in Deutschland mittlerweile den Männern gleichgestellt. Doch klaffe zwischen Anspruch und Wirklichkeit noch eine große Lücke. Notwendig sei, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen und für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sorgen. Obwohl die Koalition in ihrer Regierungszeit frauenpolitisch viel erreicht habe, sei noch nicht alles geschafft.
Die Union hielt der Regierung hingegen Versäumnisse vor. So kritisierte die CSU-Abgeordnete Hannelore Roedel, seit der Regierungsübernahme von Rot-Grün habe sich die Situation der Frauen in der Bundesrepublik nicht verbessert. Sie verdienten bei gleichwertiger Arbeit durchschnittlich 30 Prozent weniger als Männer und seien trotz besserer Bildungsabschlüsse in Wissenschaft und Forschung unterrepräsentiert.
Die Grünen lobten hingegen ihre bisherige Frauenpolitik. Die Koalition habe seit 1996 "alle Hände voll zu tun" gehabt, weil die Union "jahrelang ihre Hände in den Schoß gelegt" habe, kritisierte Irmgard Schewe-Gerigk. So sei der Frauenanteil bei Professuren von 9 auf 13 Prozent gestiegen. Vor allem in der Privatwirtschaft sei aber noch viel zu tun. Schewe-Gerigk schlug vor, ein "Bündnis für Chancengleichheit" ins Leben zu rufen.
Die Liberalen richteten ihren Blick auf den Ausland: Deutschland solle sich "an den fortschrittlichsten Ländern in Sachen Gleichstellung" messen, so die FDP-Politikerin Ina Lenke. Frauen erwirtschafteten neben ihren Leistungen in der Familie und im ehrenamtlichen Bereich auch große Teile des Bruttosozialprodukts und trügen damit wesentlich zum Steueraufkommen bei. Trotzdem seien sie noch immer "meilenweit von echter Teilhabe und echter Chancengleichheit entfernt".
Grundlage für die Debatte waren Anträge aller Fraktionen zum Thema.
Auf die Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere im Berufsleben konzentrieren sich Anträge der Koalition ( 15/5029) und der FDP ( 15/5032). In ihrer Initiative beleuchten die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zunächst verschiedene Bereiche des öffentlichen Lebens, in denen die Gleichstellung von Frauen vorangekommen ist. Die Bundesregierung soll nun tätig werden, um eine gerechte Verteilung der Erwerbs- und Familienarbeit sowie eine gerechte Verteilung des Einkommens zwischen Geschlechtern ebenso zu erreichen wie eine umfassende Beschäftigungsförderung von Frauen. Auch soll sie bei der Evaluation der Arbeitsmarktreformen den Grundsatz des Gender Mainstreaming anwenden. In einem weiteren Antrag setzten sich die Koalitionsfraktionen ( 15/5030) für mehr Geschlechtergerechtigkeit in Wissenschaft und Forschung ein. Das große Potenzial Deutschlands an hochqualifizierten Frauen finde noch keinen entsprechenden Niederschlag "in einer gleichberechtigten Beteiligung von Frauen vor allem an Führungspositionen in Wissenschaft und Forschung". Angestrebt werden solle, mittelfristig einen Frauenanteil von mindestens 20 Prozent bei den Professuren zu erreichen.
Die Erwerbstätigkeit von Frauen stellt nach Ansicht der FDP-Fraktion ein enormes Potenzial für die Wirtschaft dar, das bisher jedoch nicht genügend genutzt wird. Trotz besserer Bildungsabschlüsse kommen Frauen noch zu selten in höhere Positionen und besser bezahlte Tätigkeiten. Ihr Anteil an allen Management-Positionen (nach Eurostat) ist seit 1998 kaum gestiegen und liegt bei 28 Prozent. In ihrem Antrag fordern die Liberalen die Bundesregierung deshalb dazu auf, Fehlanreize im Steuer- und Transfersystem, wie die Steuerklasse V, sowie Schwächen in der Arbeitsmarktvermittlung und -politik abzubauen, demgegenüber aber Angebote für eine bedarfsgerechte, hochwertige Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen auszubauen. Die Bundesregierung müsse die berufliche Gleichstellung von Frauen ebenso in den Blick nehmen wie Strategien zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Auf die Situation von Frauen in den Entwicklungsländern gehen die Koalitionsfraktionen in einem gesonderten Antrag ( 15/5031) ein. Sie fordern darin die Bundesregierung auf, diese Staaten verstärkt bei der Bildung und beruflichen Qualifizierung von Frauen und Mädchen zu unterstützen. Sie müsse ferner unter anderem Maßnahmen ergreifen, um die rechtliche Gleichstellung, den Zugang zu Eigentum, Landbesitz sowie Kreditsystemen zu ermöglichen. Jegliche Form der Diskriminierung von Frauen und Mädchen müsse verurteilt werden. Regierungen der Entwicklungsländer müssten aufgerufen werden, die Ahndung und Bestrafung so genannter Ehrenmorde, Genitalverstümmelungen, Vergewaltigungen und psychischer Gewalt in Angriff zu nehmen. Ferner müsse die Regierung sich verstärkt für die Bekämpfung des Frauenhandels einsetzen.