Zu einer Zeit, da die Kunst sich immer mehr zur feilen Sklavin reicher und mächtiger Wollüstlinge herabwürdigt, thut er wohl, wenn ein großer Mann auftritt und zeigt, was der Mensch auch jetzt noch vermag", hieß es in Körners Brief. Schiller sah in einem solchen Geschenk "eine größere Belohnung als der laute Zusammenruf der Welt", doch antwortete er vorerst nicht.
Noch immer richtete er seine Hoffnung auf die Bühne. Nach der Buchausgabe von "Kabale und Liebe" bei Schwan in Mannheim und der erfolgreichen Uraufführung des bürgerlichen Trauerspiels in Frankfurt/M. hatte auch die Mannheimer Aufführung stürmische Begeisterung ausgelöst. Schiller arbeitete an einer neuen Fassung des "Fiesco" und hielt vor der vom Intendanten von Dalberg ins Leben gerufenen Deutschen (Theater-)Gesellschaft seine programmatische Rede "Vom Wirken der Schaubühne auf das Volk", die im ersten Heft seiner neuen Zeitschrift "Rheinische Thalia" unter dem Titel erschien "Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?" (1785 bei Schwan).
Doch sein Vorhaben, an einem Mannheimer "National-Theater" mitarbeiten zu können, sein nächstes Theaterstück "Don Carlos" dort zu vollenden, scheiterte - Schillers Vertrag als Theaterdichter wurde von Dalberg nicht verlängert. So geriet er in größte finanzielle Notlage. Da nützte auch der Sachsen Weimarische Hofratstitel nichts, den er sich vom Herzog Karl August erbat, als dieser zu seinem Antrittsbesuch am Darmstädter Hof weilte und dem Schiller auf Empfehlung Charlotte von Kalbs aus dem 1. Akt des "Carlos" vorlas. Dass er seinem zukünftigen Landesherren begegnete, konnte er nicht voraussehen.
In dieser Situation entschloss er sich im Dezember 1784, den Leipziger Bewunderern zu antworten, Er entschuldigte sich mit der Arbeit an der "Thalia": "überdies zwingt das deutsche Publikum seine Schriftsteller, nicht nach dem Zuge des Genius, sondern nach Spekulation des Handels zu wählen. Ich werde dieser ‚Thalia' alle meine Kräfte hingeben." Huber, die Schwester Stock und Körner antworteten ihm in getrennten Briefen, Körner lud ihn ausdrücklich ein: "Ihrer ‚Thalia' sehe ich mit Verlangen entgegen, aber es sollte mir weh tun, wenn Sie dadurch von dem abgehalten würden, was Ihre eigentliche Bestimmung zu sein schein. Alles was die Geschichte in Charakteren und Situationen Großes liefert und Shakespeare noch nicht erschöpft hat, wartet auf Ihren Pinsel."
Im Februar 1785 nahm Schiller die Einladung an. Anfang April reiste er und kam zur Messezeit am 17. April 1785 in Leipzig an, wo er im Gasthof "Zum blauen Engel" abstieg. Körner traf er nicht mehr, da dieser schon Aufgaben für Kirchen- und Schulfragen im Oberkonsistorium zu Dresden wahrzunehmen hatte. Mit Huber und den Schwestern Stock entwickelten sich rasch vertrauensvolle Beziehungen. In Richters Kaffeehaus am Markt begegnete er dem Lessing-Freund Christian Felix Weise, dem von Goethe geschätzten Maler Adam Friedrich Oeser, dem Komponisten Johann Adam Hiller, dem Schriftsteller Friedrich Jünger, seiner Uraufführungs-Luise Sophie und ihrem Mann, dem Arzt Ernst Albrecht, und dem Verleger Georg Joachim Göschen.
Trotz freundschaftlicher Aufnahme fühlte sich Schiller im Dorfe Gohlis vor den Toren der Stadt einsam in seiner Dachstube und erhoffte eine Begegnung mit Körner. Die fand am 1. Juli 1785 in Kahnsdorf bei Borna auf dem Landgut des Leipziger Rhetorikprofessors August Wilhelm Ernesti am Vorabend von Körners 29. Geburtstag statt. Schiller schrieb am nächsten Tag einen siebenseitigen Brief nach Dresden mit dem Wunsch, die Freundschaft zu vertiefen, und dem Geburtstagsgedicht "Unserem theuren Körner zum 2ten Julius 1785". Der antwortete postwendend mit der Einladung nach Dresden und dem Angebot, Schiller ein Jahr lang finanziell abzusichern: "lass mir die Freude, Dich aus der Notwendigkeit des Brodverdienens zu setzen." Schiller nahm das "schöne und edle Anerbieten" an - ein bemerkenswerter Vorgang: der wohlhabende Bürger wurde mäzenatisch tätig für einen begabten, aber unbemittelten Bürger.
Der kunstsinnige Körner erbte ein beträchtliches Vermögen und war finanziell unabhängig, doch er blieb, trotz musikalischer und literarischer Neigungen, seinen selbstgewählten Pflichten treu (erst 1815 wechselte er in die preußische Staatsverwaltung nach Berlin) - und er war Schiller bis zu dessen Tode in selbstloser Freundschaft verbunden, wovon der umfangreiche Briefwechsel zeugt.
Am 7. August 1785 heiratete Körner Minna in Leipzig - "Zu Körners Hochzeit" trug Schiller sein Gelegenheits-Gedicht bei. Die Körners richteten sich in Dresdens Neustadt "Am Kohlmarkt" ein. Das Haus sollte in der Folgezeit zum Begegnungsort bedeutender Schriftsteller, Musiker und Maler der Klassik und Romantik werden. Schiller reiste am 11. September 1785 mit Extrapost aus Leipzig ab: "Als auf einmal, und mir zum ersten Mal, die Elbe zwischen zwei Bergen heraustrat, schrie ich laut auf. O mein liebster Freund, wie interessant war mir das alles! Die Elbe bildet eine romantische Natur…, eine schwesterliche Ähnlichkeit dieser Gegend mit dem Tummelplatz meiner frühen dichterischen Kindheit macht sie mir dreifach teuer. Meißen, Dresden und seine Gegend gleichen ganz in die Familie meiner vaterländischen Fluren", schrieb er an den in Leipzig gebliebenen Huber.
Am nächsten Tag siedelte man nach Loschwitz über, wo Körner ein Sommerhaus an der Elbe besaß, "oben auf der Höhe des Weinbergs steht noch ein artiges Gartenhäuschen." Schiller verlebte dort nahezu zwei Jahre eine unbeschwerte glückliche Zeit im Freundeskreis seines Gastgebers. Unter anderen traf er den Historiker Johann Wilhelm von Archenholz, den Professor der Ritterakademie Wilhelm Gottlieb Becker, den Maler Anton Graff, der ihn porträtierte, den Komponisten Johann Gottlieb Naumann, der - wie auch Körner - das literarische Zeugnis der Freundschaft vertonte: das Lied "An die Freude".
Bootsfahrten über die Elbe führten zu Justine Segedin, der "Gustel von Blasewitz" ("Wallenstein Lager"); er schrieb Launiges zu "Körners Vormittag", gutmütigen Spott über schriftstellerische Unproduktivität, zu "Körners Geburtstag" oder das "Untertänigste Pro Memoria an die Consistorialrat Körnersche weibliche Waschdeputation", ironische Klage über die Störung der Arbeit: "Die Wäsche klatscht vor meiner Tür,/ Es scharrt die Küchenzofe - / Und mich - mich ruft das Flügeltier / Nach Königs Phillips Hofe."
Körner zahlte an den Verleger Göschen in Leipzig, damit er Schiller Vorschüsse vermittelte: Für die nun dort herausgegebene "Thalia", in deren 2., 3. und 4. Heft neben Lyrik, weiteren Teilen des "Carlos" auch Prosa erschien, der "Verbrecher aus Infamie", Fortsetzung des Romans "Der Geisterseher", die "Philosophischen Briefe". Schiller arbeitete an der "Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande" und vollendete "Don Carlos" für die Buchausgabe in Tharandt im Weißeritztal. Dorthin hatten die Körners ihn im April 1787 gebracht, um ihn von der kapriziösen Tochter einer Dresdner Hofdame, der 19jährigen Henriette von Arnim, abzulenken, in der Minna keine geeignete "Liaison" sah.
Mit der Vollendung des "Don Carlos" gelangte Schiller durch Überwindung der Sturm-und-Drang-Positionen auf den Weg zum klassischen Geschichtsdrama. Doch er spürte, dass er Körner nicht länger zumuten durfte, seine finanziellen Angelegenheiten zu regeln. So kam ihm die Einladung Charlotte von Kalbs nach Weimar sehr gelegen. Am 20. Juli 1787 reiste er von Dresden an. Offiziell nahm man ihn dann allerdings in Weimar zunächst gar nicht zur Kenntnis, keines seiner Stücke wurde am Hoftheater zur Aufführung angenommen.
Von Weimar aus schrieb er an die Schwestern von Lengefelde rückblickend, Dresden sei "eine Wüste der Geister. Die Kursachen sind nicht die liebenswürdigsten von unseren Landsleuten, aber die Dresdner sind vollends ein seichtes, zusammengeschrumpftes, unleidliches Volk, bei dem es einem nie wohl wird. Sie schleppen sich in eigennützigen Verhältnissen herum, und der freie, edle Mensch geht unter dem hungrigen Staatsbürger ganz verloren, wenn er anders je dagewesen ist. Zuweilen begegnet man einem verstümmelten Abdruck oder vielmehr einer Ruine, die ehemals Geist oder Herz beseelte. Aber die fatalen Verhältnisse haben beides zertreten und verheert …" Er riet auch Körner, die sächsische Residenz zu verlassen, aber er hat ihn dort noch mehrmals besucht.
Der Autor war bis vor wenigen Jahren Literaturbeauftragter der Ev.-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Er lebt in Dresden.