In Thüringen aber liegen die Dörfer und Städte, in denen der Dichter die meiste Zeit seines Lebens verbrachte - eine Spurensuche.
Von Hügeln umgeben, liegt der 300 Einwohner zählende Ort etwa zehn Kilometer von Meiningen entfernt. Bis 1803 war Bauerbach ein reichsritterschaftliches Dorf. Das hatte den Vorteil, dass der Ort weder der Polizei des Herzogs von Sachsen-Meiningen noch der eines anderen Landesfürsten unterstand. Schiller, der seit seiner Flucht aus Stuttgart als Deserteur galt, konnte sich hier vor einer zu Recht befürchteten Verfolgung relativ sicher fühlen.
Von 1697 bis 1853 war Bauerbach der Sitz der Familie von Wolzogen. Schillers heute museal genutzte Bleibe steht in der Ortsmitte nahe der Kirche und der Gaststätte, in welcher der Besucher verköstigt wurde. Henriette von Wolzogen, die Mutter von Schillers Stuttgarter Mitschüler, hatte dem jungen Dichter unter dem Pseudonym "Dr. Ritter" auf ihrem bescheidenen Landgut das Asyl ermöglicht. In Empfang genommen wurde er von dem Gutsverwalter und Lehrer Vogt. Eine Fassadenmalerei am Vogtschen Wohnhaus (Hauptstraße 5) erinnert daran.
Am 8. Dezember 1782, nur einen Tag nach der Ankunft in Bauerbach, gingen gleich mehrere Briefe auf die Reise. "Itzt kann ich Ihnen mit aufgeheitertem Gemüt schreiben, denn ich bin an Ort und Stelle wie ein Schiffbrüchiger, der sich mühsam aus den Wellen gekämpft hat. […] Diesen Winter seh ich mich genötigt, nur Dichter zu sein, weil ich auf diesem Weg meine Umstände schneller zu rangieren hoffe", vertraute er dem Buchhändler Schwan in Mannheim an.
Eine monatelange produktive Einsamkeit wartete auf ihn. Da war zum einen der "Don Carlos", den er "gewissermaßen statt meines Mädchens" hatte. Eine andere seiner "Tausend Ideen" sollte schließlich zum "Hauptgeschäft" der Bauerbacher Zeit werden: "Luise Millerin" ("Kabale und Liebe"). Das Schiller-Museum Bauerbach ist in seiner Substanz original erhalten. Nur wenige Meter vom Museum entfernt beginnt der rund 13 Kilometer lange, nach Meiningen führende "Schiller-Wanderweg".
Am Nachmittag des 6. Dezember 1787 kam Schiller zusammen mit seinem Schulfreund Wilhelm von Wolzogen zum erstenmal nach Rudolstadt. Wolzogen hatte Schillers Einladung zum Besuch von Weimar unter der Bedingung angenommen, dass sie einen Umweg über Rudolstadt machten und dort die mit ihm verwandte Familie Lengefeld besuchten - ein schicksalhafter Umweg. Hier begegnete er seiner künftigen Frau Charlotte von Lengefeld und traf - wenn auch nur flüchtig - mit Goethe zusammen. Bereits am Abend ihrer Ankunft waren Wolzogen und Schiller im Haus Beulwitz-Lengefeld (Schillerstraße 25) zu Gast. Schon bevor das Haus, dem ein schöner Garten vorgelagert ist, zu einem Ort der deutschen Literatur wurde, herrschten hier Geist und Geselligkeit. Schiller, inzwischen 28, gefiel solches Treiben auf Anhieb. Von Weimar aus ließ er Freund Körner wissen: "Eine Frau von Lengefeld lebt da mit einer verheirateten und einer ledigen Tochter. Beide Geschöpfe sind (ohne schön zu sein) anziehend und gefallen mir. Man findet hier viel Bekanntschaft mit der neuen Literatur, Feinheit, Empfindung und Geist."
Besuchern der Stadt wird in diesem Jahr ein Rundgang auf den Spuren Schillers angeboten. Er führt auch zum einstigen "Komödienhaus auf dem Anger", das zeitweilig von dem im benachbarten Weimar zu Ruhm und Ehre gekommenen Intendanten Goethe geleitet wurde. Der Weg führt weiter zur ehemaligen Glockengießerei, wo Schiller Anregungen für sein "Lied von der Glocke" erhalten haben soll und natürlich auf Schloss Heidecksburg, wo der Dichter mit seiner Familie mehrfach zu Gast war.
Schillers erster Aufenthalt in Jena datiert auf Mitte August 1787. Von Weimar aus, wo er knapp vier Wochen vorher ,von Dresden kommend, eingetroffen war, wollte er nicht nur der aufkommenden Langeweile und der höfischen Etikette entfliehen. Mit dem Ausflug in das nur drei Meilen entfernte Jena, damals ein geistiges Zentrum in Mitteldeutschland, verband er die Hoffnung, interessante, ihm vielleicht auch nützliche Personen zu treffen.
Die Rechnung ging auf. Angekommen in Jena, das ihm ansehnlicher erschien als Weimar, weil "längere Gassen und höhere Häuser" einen daran erinnern, "dass man doch wenigstens in einer Stadt ist", stieg er im Hause des Philosophieprofessors Reinhold, des Schwiegersohns von Christoph Martin Wieland, ab. Es dauerte nicht lange, und man war beim Thema der Vorlesungen des Gastgebers, die Kants Philosophie und schöne Wissenschaften zum Inhalt hatten. Das Praktische der Begegnung: Reinhold stellte Schiller einen Ruf an die hiesige Universität in Aussicht.
Im Frühjahr 1789 übersiedelte Schiller dann ganz nach Jena. Am 26. Mai hielt er im überfüllten Griesbachschen Hörsaal, dem damals größten Auditorium, seine Antrittsrede mit dem Titel "Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?". Erfolg macht neidisch; das bekam auch Schiller zu spüren und verdüsterte sein Empfinden: "Welcher böse Genius gab mir ein, hier in Jena mich zu binden!", klagte er am 10. November 1789, seinem 30. Geburtstag, seiner künftigen Frau Charlotte von Lengefeld, mit der er am 22. Februar des kommenden Jahres in der Kirche des eine halbe Stunde Fußweg vom Stadtzentrum entfernten Wenigenjena getraut wurde.
Schiller, der sich auf eins wie in die Wüste versetzt fühlte, blieb dennoch in der Stadt. Erst am 3. Dezember 1800 verließ er - von seinem Publikum schon zum "deutschen Shakespeare" erhoben - Jena in Richtung Weimar.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs war Jena neben Nordhausen die am meisten zerstörte Stadt Thüringens. Das macht das Auffinden authentischer Spuren heute ausnehmend schwer. Von den fünf Wohnungen, die der Dichter im Laufe seiner zehn Jenaer Jahre bewohnte, blieben nur das Haus in der Zwätzengasse 9 und darüber hinaus das museal genutzte Gartenhaus und das Griesbach'sche Haus übrig.
In Weimar hatte Schiller nach und nach die Bekanntschaft der "übrigen weimarischen Götter und Götzendiener" gemacht,- bis auf Goethe, der noch in Italien weilte. Immerhin feierte er schon dessen Geburtstag am 28. August 1787 an authentischem Ort mit, im - seit langem museal genutzten - Gartenhaus Goethes, das Knebel während der Abwesenheit seines Besitzers bewohnte. "Wir fraßen herzhaft, und Goethes Gesundheit wurde von mir in Rheinwein getrunken. Schwerlich vermutete er in Italien, dass er mich unter seinen Hausgästen habe, aber das Schicksal fügt die Dinge gar wunderbar."
Der Bann brach dann einige Jahre später (siehe dazu Beitrag auf Seite 5). Schiller nannte die Freundschaft mit Goethe das "wohltätigste Ereignis meines ganzen Lebens". Und Goethe sagte: "Ein Glück für mich war es indes, dass ich Schillern hatte. Denn so verschieden unsere beiderseitigen Naturen auch waren, so gingen doch unsere Richtungen auf eins, welches denn unser Verhältnis so innig machte, dass im Grunde keiner ohne den anderen leben konnte."
Was von Schiller keinesfalls als dauerhafte Übersiedelung nach Weimar geplant war sondern nur als längere Reise über Kalbsrieth (zu Charlotte von Kalb) und Weimar nach Hamburg (wohin er doch nicht reiste), wurde zu einem Wendepunkt.
Die Doppelstadt Weimar-Jena wurde seine neue Heimat. Was er neben seinem Drang zu schreiben mitbrachte, waren Schulden, ein instabiler Gesundheitszustand und die Hoffnung auf geordnete Verhältnisse. Zunächst noch frei und offen für "das ganze Weibergeschlecht", sehnte er sich schon bald "nach einer bürgerlichen und häuslichen Existenz". Letzteres sollte er in jenem Haus finden, das in der nach ihm benannten Straße der rund 64.000 Einwohner zählenden Stadt steht.
Neben dem museal genutzten Schiller-Wohnhaus fanden zahlreiche andere mit Schiller verbundene Stätten Aufnahme in das UNESCO-Weltkulturerbe: Goethes Wohnhaus, das Wittumspalais, die (Anfang September 2004 vom Feuer heimgesuchte) Herzogin Anna Amalia Bibliothek, die Stadtkirche St. Peter und Paul, das Herderhaus (nebst altem Gymnasium), die Fürstengruft und der Historische Friedhof, der Park an der Ilm mit dem Römischem Haus, Goethes Gartenhaus und Garten, das Stadtschloss, die Orangerie und der Schlosspark Belvedere, das Schloss und der Schlosspark Tiefurt sowie Schloss und Park Ettersburg.
Die Stadt Weimar begeht das Schillerjahr mit zwei großen Ausstellungen, mehreren Premieren im Deutschen Nationaltheater und - wie viele andere Thüringer Städte auch - mit zahllosen kleineren Veranstaltungen und Ausstellungen. Ein zentraler Festakt zur Schiller-Ehrung in Deutschland findet Anfang Mai in Weimar statt.
Heinz Stade ist freier Journalist in Erfurt. Über die Klassikerstätten in Thüringen hat er im Aufbau-Verlag einen informativen Reiseführer veröffentlicht.