Insgesamt sind die Aufsätze zu sechs Themen zusammengefasst, die sich mit folgenden Stichworten markieren lassen: Analyse und Konzepte des politischen Marketing, politisches Marketing in der Praxis, politische Kommunikation, Politikberatung und Politikvermittlung, politisches Management in der Gesellschaft, politische Öffentlichkeitsarbeit.
Der Beitrag des Herausgebers kann als Schlüsseltext angesehen werden. Unter dem Titel "Politisches Marketing als Konzept für eine aktive Politik" wird das Pro und Kontra von "politischem Marketing" differenziert und aufschlussreich betrachtet: "In der gegenwärtigen Politik gewinnt politisches Marketing … eine immer wichtigere Rolle", so die Diagnose von Volker Kreyher. Einerseits werde in der aktuellen Entwicklung eine "Modernisierung und Professionalisierung" des Politischen gesehen, die unabwendbar sei. Andererseits verweisen, so der Autor, viele Kritiker auf abgehobene Machtzentren der Entscheidung, in der Fachleute den Bezug zum Bürger verloren haben.
Wer sich durch alle Texte gelesen hat, wird vermutlich finden, dass beide Positionen begründet sind - die Frage ist dann, wann, an welcher Stelle im politischen System, mit welchen Mitteln und vor allem in wessen Interesse politisches Marketing eingesetzt wird. Vor der qualifizierten Bewertung eines komplexen Themas steht die Analyse. Zu ihr gehört, dass sich das politische System und seine Rolle in der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten umfassend gewandelt haben. Zu den veränderten Bedingungen politischer Wahrnehmung und Interessen gehören eine Individualisierung der Lebensverhältnisse und der Verlust von sozialer Gruppenorientierung und politischer Strukturen.
Die persönliche und soziale Mobilität hat zugenommen, politische Einstellungen sind instabiler geworden. Die Bedeutung sozialer und politischer Traditionen und Bindungen reduziert sich, damit auch eine fest gefügte Orientierung und Parteibindung. Statt fundamentaler Einstellungen spielen in der Politik inzwischen Faktoren wie persönliche Relevanz, einzelne politische Ereignisse und die Betroffenheit in Gruppen der Gesellschaft eine viel größere Rolle. Um die Zielgruppen des Politischen unter diesen Bedingungen erfolgreich zu erreichen, gewinnen die Medien größere Bedeutung.
Auch werden in den Zentren der Macht typische Elemente der Medien antizipiert, um eine wirkungsvolle Medienpräsenz sicherzustellen: Aktualität, Überraschung, Wichtigkeit, Betroffenheit und Nähe. In der sprachlichen Gestaltung spielen auch Aspekte wie Verdichtung, Vereinfachung, Emotionalisierung, Visualisierung und Dramatisierung eine Rolle. Leicht zu erkennen ist, dass sozial und politisch schwache Interessengruppen wenige Möglichkeiten haben, sich in einer derartig strukturierten Konkurrenz der Informationen durchzusetzen.
Auch die veränderten Interessen der politischen Subjekte und Akteure gehen in das politische Marketing ein, wobei durchaus Grenzen und teilweises Scheitern dabei erkennbar werden. Es gibt keine Sicherheit, dass politische Kampagnen, Events, Talkshows, Medieninzinierungen aller Art, "Markenpolitik" und andere Methoden dazu führen, dass Zielgruppen der Parteien und Institutionen die gewünschte Botschaft oder das gewünschte Verhalten immer auch annehmen.
Eine Reihe von konkreten Beispielen rundet das Bild ab. Dazu gehören der Bundestagswahlkampf 2002 (M. Thielen), das politische Plakat als Botschaftenträger (C. Mannstein) und eine Oberbürgermeisterwahl (G. Büssemaker).
Bei der Fülle der Beiträge zum politischen Marketing mögen nicht alle Themen gleichermaßen interessieren. Das mag auch am Titel liegen, denn der Inhalt des Buches ließe auch Formulierungen wie "politische Öffentlichkeitsarbeit", "politische Kommunikation" oder "politisches Management" zu. Das informative Buch ist wohl auch Kritikern des politischen Marketings für die aktuelle Diskussion zu empfehlen.
Volker J. Kreyher. (Hrsg.)
Handbuch Politisches Marketing.
Impulse und Strategien für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Nomos Verlag. Baden-Baden 2004; 575 S., 49,- Euro