Der CSU-Politiker Eduard Lintner lehnt eine Liberalisierung der Sterbehilfe strikt ab. Der Europarat soll sich bei dieser Gewissensfrage heraushalten, fordert der stellvertretende Leiter der Bundestagsdelegation in Straßburg.
Das Parlament:
Warum tut sich der Europarat bei der Sterbehilfe so schwer?
Lintner: Bei diesem Konflikt stehen sich zwei Grundsatzpositionen diametral gegenüber. Im Kern zielt der Sozialausschuss auf eine großzügige Handhabung des Rechts auf passive und aktive Sterbehilfe nach dem Muster von Holland und Belgien. Die Gegner lehnen eine solche Politik ab, weil dies aus ihrer Sicht zu einer Praxis führt, die bei dieser heiklen Materie die unverzichtbare Sorgfalt nicht mehr gewährleistet. Ich kann nicht erkennen, wie in Straßburg eine mehrheitsfähige Resolution zustandekommen soll.
Das Parlament:
Warum sollte die passive Sterbehilfe nicht weiter liberalisiert werden?
Lintner: Als Begründung wird auf die angeblich positiven Beispiele Hollands und Belgiens verwiesen. Aber in den Niederlanden umgehen viele Ärzte die im Gesetz formulierten Hürden, es gibt Missbrauch. Zum Respekt vor dem Willen von Kranken ist zu sagen: Der Patientenwille ist labil. Bei einer wirksamen palliativen Behandlung kann sich der Sterbenswunsch rasch ändern.
Das Parlament:
Laut Sozialausschuss ist es in Belgien und Holland nach der Legalisierung der aktiven Sterbehilfe nicht zu einem Anstieg der Fälle oder zu Missbrauch gekommen.
Lintner: Das stimmt so nicht. In Holland werden bei der Sterbehilfe die gesetzlichen Standards eben vielfach nicht eingehalten. In fast der Hälfte der Fälle wird etwa die Meldung an die Staatsanwaltschaft unterlassen.
Das Parlament:
Auf internationaler Ebene existiert kein rechtlicher Rahmen für die Sterbehilfe. Besteht Handlungsbedarf?
Lintner: Bei der Sterbehilfe sollte sich der Europarat heraushalten. Bei einer so heiklen Gewissensfrage muss es den nationalen Parlamenten überlassen bleiben, wie sie auf der Basis ihrer kulturellen und religiösen Traditionen bei Sterbenskranken die Prinzipien der Menschenwürde und des freien Willens gewährleisten.
Das Interview führte Karl-Otto Sattler