Zwei Anrufe in Abwesenheit", hört Andreas Bethke, als er sein Handy einschaltet. Eine künstliche Stimme nennt dem blinden Diplom-Biologen beide Nummern. Allein diese Software kostet Bethke 250 Euro, denn solche Hilfsmittel für Blinde sind wegen der geringen Abnehmerzahl teuer. Den Geschäftsführer des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes traf die Kürzung des Landesblindengeldes in Niedersachsen hart. Doch seine Versuche, über die Medien darauf aufmerksam zu machen, schlugen weitgehend fehl.
Seit 1992 versuchen die Selbsthilfeorganisationen der Behinderten jeweils am 5. Mai, dem Gründungstag des Europarates, die Bedürfnisse von Behinderten einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen - fast immer ohne Erfolg. Oftmals sind es nur regionale Medien, die ihren schwierigen Alltag thematisieren. Dabei leben in Europa schätzungsweise 40 Millionen Menschen mit den verschiedensten Behinderungen. Doch gerade in der europäischen Metropole Brüssel gestaltet sich das tägliche Leben für sie schwierig: Hohe Bürgersteigkanten, fehlende Rampen sowie schwer erkennbare Stufen sind nur einige Beispiele für alltägliche Hindernisse in einer Stadt, in der im Jahr 2003 das Europäische Jahr für Menschen mit Behinderungen (EJMB) proklamiert wurde. Europaweit führen Behinderte den Kampf um ein selbstbestimmtes Leben: In Dänemark, Finnland und Norwegen setzen sich die Verbände momentan für eine Regelung ihrer Pflege in den eigenen vier Wänden ein. Sie fordern, wie es bereits ein Modell in Schweden praktiziert, ein monatliches Budget, mit dem Behinderte ihre Hilfskräfte selbst einstellen können. Die Öffentlichkeit erfährt von solchen Initiativen aber meistens wenig, denn "ohne Berichte in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen nehmen die Leute, insbesondere Politikerinnen und Politiker, kaum unsere Probleme wahr", sagt Elke Bartz, Vorsitzende des Forums Selbstbestimmter Assistenz (Forsea).
Dabei hatten die Staats- und Regierungschefs der EU in ihrem einstimmigen Beschluss, 2003 den Menschen mit Behinderungen in Europa zu widmen, eindringlich an die Medien appelliert, sowohl deren Leistungen als auch deren Schwierigkeiten ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Doch selbst im Jahr 2003 blieb das Presseecho auf das Jahr der Behinderten gering. Charakteristisch für die Berichterstattung war die Auftaktveranstaltung zum EJMB in Magdeburg, bei der zumeist nur die politische Prominenz, aber kaum Behinderte zu Wort kamen.
Den Belangen von Behinderten will auch das "Netzwerk Artikel 3" eine Stimme geben. Darin ringen 70 Organisationen bundesweit um die Verwirklichung von Artikel 3 des Grundgesetzes: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Auch in diesem Jahr appelliert Netzwerksprecher Ottmar Miles-Paul gemeinsam mit dem Europäischen Behindertenforum und anderen Selbsthilfegruppen an die Medien, die Öffentlichkeit für die Probleme von Behinderten zu sensibilisieren. Aber auch dieser Aufruf dürfte in der Presse weitgehend ungehört verhallen.