Die Ergebnisse der UN-Friedensmissionen sind gemischt. Über die Fehlschläge bei Blauhelmeinsätzen wurde und wird in den Medien ausgiebig berichtet: Bilder amerikanischer Truppen im UN-Auftrag, die 1994 Hals über Kopf Somalia überfordert verließen und dem Treiben der Warlords kein Ende bereiten konnten, kommen in Erinnerung. Niederländische Streitkräfte, mit unzureichenden Mitteln und unklarem Mandat ausgestattet, waren nicht in der Lage, die bosnisch-muslimische Bevölkerung in Srebrenica vor einem Massaker zu schützen. Seit Jahren kann der Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo, trotz Einsatz von derzeit über 16.000 uniformierten UN-Personals, nicht befriedet werden, und nun wird den zum Schutz eingesetzten UN-Soldaten auch noch begründet vorgeworfen, wehrlose Frauen vergewaltigt zu haben.
Trotz dieser traumatischen Fehlschläge und menschlichen Katastrophen ist die Bilanz der UN-Friedensmissionen nicht nur negativ. Im Gegenteil: Oftmals ist es gelungen, Gewalt zu verhindern, verfeindete Gruppen oder Länder von Kampfhandlungen abzuhalten, Friedensabkommen herbeizuführen und zu überwachen und den Aufbau lebensfähiger staatlicher Strukturen zu ermöglichen. Traditionell war das Ziel der UN-Friedensmissionen die Beendigung von Konflikten und die Schaffung von Frieden mit friedlichen Mitteln. In den meisten Friedensoperationen wandten die Vereinten Nationen keine Waffengewalt an. Gerade aber wenn sie Gewalt anwandten, wie in der Kongomission 1960 bis 1964, in Bosnien und Herzegowina 1992 bis 1995 oder in Somalia 1993 bis 1995, waren die Ergebnisse eher unbefriedigend bis erschreckend.
Das traditionelle Bild der zumeist nur zum eigenen Schutz leicht bewaffneten Blauhelme der Vereinten Nationen, die in kriegerischen Auseinandersetzungen überwiegend vermittelnd und konfliktmildernd auftreten, hat sich seit Ende des Kalten Krieges deutlich verändert. So genannte robuste Friedensoperationen und Friedenserzwingungsmaßnahmen, bei denen die UN-Truppen kriegführende Parteien mit Waffengewalt auseinanderhalten oder mitunter selbst Konfliktpartei werden, sind in neuerer Zeit die Regel.
Die Vereinten Nationen greifen heute nicht nur robuster ein, auch die Zahl der internationalen militärischen Interventionen hat signifikant zugenommen. Begründet wird diese Politik des Eingreifens vor allem mit humanitären Gründen. Während in der Zeit des Kalten Kriegs im Sicherheitsrat oft keine Mehrheiten für Blauhelmeinsätze zustande kamen oder ein Veto einer der Großmächte derartige Einsätze verhinderte, ist heute der Ruf der internationalen Völkergemeinschaft nach rechtzeitigem Militäreinsatz häufiger und lauter geworden. Robustes Peacekeeping soll der Prävention von Konflikten dienen und deren Eskalation verhindern. Die Bereitschaft der UN - so die Erwartung - sich mit starken militärischen Kräften zu engagieren und nachhaltig den Willen zum Schutz der Bevölkerung zu demonstrieren, macht den Ausbruch der Gewalt weniger wahrscheinlich und kann das Einlenken der Konfliktparteien bewirken.
Der vor wenigen Monaten veröffentlichte Bericht des UN-High-level Panel on Threats, Challenges and Change schlussfolgert, dass "in den letzten 15 Jahren mehr Bürgerkriege durch Verhandlungen endeten als in den vorherigen zwei Jahrhunderten - zum großen Teil, weil die Vereinten Nationen Führerschaft, Möglichkeiten für Verhandlungen, strategische Koordination und die notwendigen Ressourcen zur Durchführung anboten". Das klingt wie Eigenlob. Doch entgegen der öffentlichen Wahrnehmung von der Vielzahl der Kriege und Kriegstoten - medial direkt in unsere Wohnzimmer vermittelt - weisen die Statistiken seit 1990 eine eindeutig fallende Kurve der Zahl der Bürgerkriege und eine ansteigende Kurve der UN Friedensmissionen auf.
Viele erfolgreiche UN-Missionen sind heute kaum eine Nachricht wert: Seit 1949 sorgen UN-Blauhelme in Kaschmir an der Grenze zwischen Indien und Pakistan für die Einhaltung des Waffenstillstandes - nicht immer, aber doch zumeist, mit Erfolg. Eine ähnliche Rolle spielt ein kleines UN-Kontingent auf der geteilten Insel Zypern. Heute dienen weniger als 500 Soldaten der UN in Osttimor und im Mai 2005 werden die letzten UN-Truppen das Land verlassen, nachdem 1999 nach gewaltsamen Auseinandersetzungen über 10.000 uniformierte Kräfte erforderlich waren, um den Konflikt zu befrieden. Selbst in der krisengeschüttelten Region der Großen Seen in Afrika hat die noch laufende Friedensmission in Burundi einen drohenden Konflikt zwischen Hutus und Tutsis verhindern können, ein Erfolg, der im Nachbarland Ruanda 1994 wegen der Schwäche der UN nicht möglich war.
Die humanitär motivierten Interventionen der Vereinten Nationen sind mit konkreten praktischen Problemen konfrontiert. Zum einen nahmen die Vereinten Nationen die Interventionen in der Vergangenheit selektiv vor. Warum intervenierte die UN in Somalia, aber nicht in Ruanda? Warum beschränkte sich ihr Engagement bei dem inzwischen mehrere Jahrzehnte dauernden Krieg im Sudan so lange lediglich auf Hilfslieferungen und die Entsendung eines mit diplomatischen Mitteln ausgestatteten Repräsentanten des Generalsekretärs, während in Haiti mit militärischen Mitteln rasch und wirkungsvoll interveniert wurde? Großmachtinteressen spielen dabei auch heute noch eine wichtige Rolle, wie die aktuellen Schwierigkeiten eine Sudanresolution zu verabschieden nachhaltig belegen. Große oder mächtige Länder müssen trotz grober Menschenrechtsverletzungen überhaupt nicht mit UN-Interventionen rechnen, wie das Beispiel der über ein Jahrzehnt währenden kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien zeigt.
Zum anderen stellen die Mitgliedsländer den Vereinten Nationen längst nicht die finanziellen und personellen Mittel zur Verfügung, die sie in die Lage versetzen würden, die Ansprüche als Friedensstifter und Friedenswahrer effektiv erfüllen zu können. Bei jedem Mandat für eine Friedensmission reist der UN-Generalsekretär mit dem Hut in der Hand durch die Welt, um Zusagen an Personal, Ausrüstung und finanzielle Ressourcen zu erbetteln - für die Implementierung einer Resolution, die der Sicherheitsrat zuvor beschlossen hat. Beredte Klage hierüber ist in zahlreichen UN-Dokumenten nachzulesen. Besonders in den Industrieländern stößt der Generalsekretär oftmals auf taube Ohren. Im Februar 2005 setzten die UN fast 67.000 Personen (Soldaten, Polizisten, zivile Verwaltungskräfte, Juristen) in 17 laufenden Friedensmissionen ein. Unter den 14 größten truppenstellenden Ländern ist kein einziges Industrieland und keines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates zu finden. Erst an 15. Stelle taucht China mit knapp über 1.000 Soldaten auf. Aus Deutschland sind zur Zeit 293 Fachkräfte entsandt. In ähnlichen Größenordnungen bewegen sich die Zahlen für die USA, Russland und Frankreich. Die Gründe für das fehlende Engagement sind vielfältig: der Einsatz der Truppen im Kampf gegen den Terror oder in Kriegen, die Sorge vor Toten und Verletzten bei Einsatz in Friedensmissionen, die mangelnde Ausrichtung der Streitkräfte und daraus resultierend, die geringe Zahl einsetzbarer Soldaten.
Einige der Länder, die die Mehrzahl der UN-Truppen stellen, wie Pakistan, Bangladesh oder Nepal, sind aber nicht nur aus reiner Menschenliebe oder moralischer Verpflichtung engagiert. Sie sind zur Finanzierung ihres Militärhaushaltes in nicht unerheblichem Maße auf der Bezahlung ihrer Peacekeeper durch die UN angewiesen. Immer häufiger setzt die UN heute auf regionale Kräfte. Unter dem Motto, afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme, drängt die UN die Afrikanische Union und die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, ECOWAS, Friedenstruppen nach Sierra Leone, Liberia, der Demokratischen Republik Kongo, der Elfenbeinküste und Burundi zu entsenden. Mit Äthiopien, Ghana, Nigeria, Südafrika, Marokko und Senegal gehört zu den zwölf größten truppenstellenden Ländern immerhin die Hälfte aus Afrika.
Der Reformbericht zum Peacekeeping aus dem Jahr 2001, der sogeannte Brahimibericht, schlussfolgert, dass "keine noch so zahlreichen guten Absichten die fundamentale Fähigkeit ersetzen können, eine glaubwürdige Streitmacht" für komplexe Friedensmissionen verfügbar zu haben. Das Resümee lautet: Gewalt mit militärischen Mitteln verhindern. Aber unter welchen Bedingung und wann nicht? Militärische Mittel dürfen nur eingesetzt werden, wenn die Kriterien zum Einsatz klar definiert sind. Hieran hapert es nach wie vor im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dem höchsten Organ für Frieden und Sicherheit in der Welt.
Professor Herbert Wulf leitete den Aufbau des internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC) und war in den 90er-Jahren unter anderem als Berater des UN-Sicherheitsrates und des Europäischen Parlaments tätig.