Der politische Dialog ist mit herkömmlichen Gesprächen nicht zu vergleichen. Unterschiede gibt es im Gesprächsinhalt, in der Wortwahl und oftmals im zeitlichen Horizont. Nicht immer folgen Rede und Gegenrede, Frage und Antwort Schlag auf Schlag. Fünf Jahre scheinen jedoch auch im politischen Dialog eine lange Zeit zu sein, insbesondere wenn es um ein außenpolitisch sensibles Thema wie die Vertriebenenfrage geht. Bereits 1990 brandmarkte der tschechoslowakische Präsident Václav Havel die Vertreibung der Sudetendeutschen nach 1945 als Verbrechen und bewertete die Benes-Dekrete sehr kritisch. Damit ging Havel einen großen Schritt in Richtung Aussöhnung mit den Deutschen, dem jedoch lange Zeit keine offizielle politische Antwort seitens der Bundesrepublik folgte.
Erst in seiner Regierungserklärung vom 1. Juni 1995 verkündete Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), die "ausgestreckte Hand" der Tschechen ergreifen zu wollen. Die von vielen Bundestagsabgeordneten und ausländischen Politikern erhoffte endgültige Absage an die Entschädigungsforderungen der Sudetendeutschen erteilte Kohl aber nicht. Stattdessen würde es "auf der Grundlage beiderseitiger Wahrhaftigkeit (…) zu vernünftigen Regelungen" mit Tschechien kommen. Vernünftig bedeutete dabei nicht, die eine Ungerechtigkeit durch die andere aufzuwiegen, um anschließend die Höhe der Entschädigungszahlung zu errechnen, sondern den NS-Opfern auf der einen Seite sowie den Vertriebenen auf der anderen Seite gleichermaßen zu helfen.
Als der Bundeskanzler den 30. Januar 1933 und den Angriffskrieg gegen Polen durch das nationalsozialistische Regime als die alleinigen Ursachen für die Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung herausstellte, fand er damit fraktionsübergreifende Zustimmung. "Wer etwas anderes behauptet, hat nichts, aber auch gar nichts aus der Geschichte gelernt", gab Helmut Kohl zu verstehen. Die Erinnerung an das Geschehene dürfte aber auf keinen Fall revanchistische Gedanken zum Ausdruck bringen. Ebenso wäre es laut Kohl falsch, vor dem Schicksal der Heimatvertriebenen die Augen zu verschließen. Vielmehr müsste man deren politische Leistung würdigen. Die Vertriebenen hätten sich gegen eine Radikalisierung verwehrt und seien nicht den Demagogen gefolgt. Stattdessen hätten sie sich 1950 in ihrer "Stuttgarter Charta" für freundschaftliche Beziehungen zu den Nachbarstaaten Deutschlands ausgesprochen und damit ein Musterbeispiel politischer Kultur gegeben.
Als unschätzbar stufte Kohl auch die wirtschaftliche Bedeutung der zwölf Millionen zumeist komplett enteigneten Flüchtlinge ein. Ihr Fleiß und ihr Wille, "sich wieder hochzuarbeiten, für ihre Kinder eine neue Zukunft zu schaffen, wurde zu einem gewaltigen, außerordentlichen Gewinn für den Wiederaufbau unserer deutschen Volkswirtschaft". Im Gegenzug hätten alle Deutschen die Integration der Vertriebenen in einem enormen solidarischen Akt bewältigt, worauf sie "durchaus stolz sein" könnten.
Da Helmut Kohl in seiner Rede wichtige Facetten der Vertriebenenfrage überging, erhielt er teils starken Gegenwind aus der Opposition. Peter Glotz (SPD) äußerte zwar grundlegende Übereinstimmung mit den Aussagen des Kanzlers, mahnte jedoch an, dass es auch Vertriebenenfunktionäre gegeben hätte, die gegen die "Ostpolitik Willy Brandts gehetzt haben". Außerdem hätte die jetzige Regierung die Beziehungen zu Tschechien "leider verschlampen lassen". Laut Glotz sollten die Entschädigungsforderungen der Sudetendeutschen nicht länger an die Entschädigung der NS-Opfer gebunden werden. Stattdessen empfahl der SPD-Politiker die Errichtung einer Stiftung, die gemeinsame Projekte zwischen beiden Völkern voranbringt. Denn die beste Form der Wiedergutmachung sei es, dafür zu sorgen, dass "in der Gegenwart nicht das Gleiche geschieht, was in der Vergangenheit geschehen ist".
Auch in Tschechien rief die Regierungserklärung Kohls ein gespaltenes Meinungsbild hervor. Einerseits sahen Staatspräsident Václav Havel und Parlamentspräsident Milan Uhde die Äußerungen des Bundeskanzlers als "Entgegenkommen" an. Andererseits kritisierte die tschechische Presse, dass die deutsche Regierung die Verknüpfung zwischen den Zahlungen an die Opfer der NS-Herrschaft und der Entschädigung der Sudetendeutschen noch immer nicht eindeutig aufgehoben hatte. Das deutsche Verhältnis zu den tschechischen Nachbarn blieb somit nach wie vor umstritten. Und der langwierige politische Dialog, der mehr und mehr zu einem Feilschen um Entschädigungszahlungen wurde, fand seine Fortsetzung.