Zwei Wiederauflagen sind anzuzeigen, die genauso Beachtung verdienen wie Neuerscheinungen. Vor 50 Jahren erschien Wolfgang Leonhards inzwischen zum Klassiker gewordenes Buch "Die Revolution entlässt ihre Kinder". Beispielhaft entwickeln sich am Schicksal des jungen Autors, der mit seiner Mutter aus Hitlerdeutschland in die Sowjetunion flieht, die Mutter dann durch Haft verliert, der zum kommunistischen Kader erzogen wird, mit der Gruppe Ulbricht 1945 nach Deutschland kommt, erst begeistert, dann immer zurückhaltender die Sowjetisierung der SBZ erlebt und schließlich dem Kommunismus abschwört, die dramatischen Ereignisse in Europa in den 30er- und 40er-Jahren. Leonhard hat das Buch damals mit heißem Atem geschrieben; unmittelbar erlebt der Leser dieses ebenso gefährdete wie aufregende Leben; die präzisen Personenschilderungen und die drückenden Kriegsjahre in der Sowjetunion sind noch immer Zeitzeugnisse ersten Ranges. Ohne Überschwang, aber doch mit stiller Genugtuung erinnert sich der Autor jetzt an die enorme Wirkung, die das Buch Generationen hindurch gehabt hat - eigentlich noch immer ein Politkrimi allerbester Art.
Zu den eindringlichsten Filmen der "alten" Bundesrepublik gehörte Bernhard Wickis Film "Die Brücke". Eine Handvoll Jugendlicher, alle noch Schüler, werden 1945 von der Schulbank geholt, in Uniformen gesteckt und bei der sinnlosen Verteidigung ihres kleinen Städtchens gegen die heranrückenden Amerikaner eingesetzt. Sie alle überleben das kurze Gemetzel nicht. Die ratlosen Gesichter dieser Kinderjungen und die ihrer verzweifelten Mütter behält man wohl immer vor Augen. Dem Film diente als Vorlage der gleichnamige Roman von Manfred Gregor; erstmals 1958 erschienen, wurde er jetzt wieder aufgelegt. Man spürt, wie der selbst noch zum Volkssturm eingezogene Autor die belastenden Erlebnisse der letzten Kriegstage verarbeitet; meisterhaft erzählt er den Ablauf vom ruhigen Kleinstadtalltag bis zum sinnlosen Kampf der allein gelassenen Jugendlichen.
Wolfgang Leonhard
Die Revolution entlässt ihre Kinder.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005; 698 S., 10,- Euro
Manfred Gregor
Die Brücke. Roman.
DVA, München 2005; 214 S., 17,90 Euro