Professionelle Palliativmedizin und Hospizarbeit sind in der Bundesrepublik relativ jungen Datums. Eine erste deutsche "Station für Palliative Therapie" war im Jahre 1983 an der Chirurgischen Universitätsklinik Köln eingerichtet worden. Das erste Hospiz hatte drei Jahre später in Aachen seine Arbeit aufgenommen. Im Jahre 1991 wurden erstmals von der Bundesregierung Palliativstationen im Rahmen eines Modellprojektes gefördert.
Palliativmedizin ist nach einer Definiton der Weltgesundheitsorganisation WHO eine Verbesserung der Lebensqualität von Patienten, die mit einer bedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind und denen Schmerzfreiheit oder zumindest Schmerzlinderung ermöglicht werden soll. Es ist eine Medizin, die nicht mehr eine Heilung des erkrankten Menschen zum Ziel hat, sondern menschenwürdiges Sterben im letzten Lebensstadium erleichtern soll. Hospizarbeit verfolgt das Ziel, sterbenden Menschen ein selbstbestimmtes Lebensende und Sterben zu ermöglichen. Es könne, so die Kommission, "als anerkanntes gesellschaftliches Ziel betrachtet werden, sterbenden Menschen einen würdigen Lebensraum zu schaffen und dabei ihre Wünsche und Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen".
Auf die "nachvollziehbaren Ängste vieler Menschen vor Fremdbestimmung, Einsamkeit und Schmerzen" müssten Gesellschaft und Politik "dringend" überzeugende Antworten finden. Das ist nach Ansicht der Kommission auch deshalb erforderlich, weil in der deutschen Bevölkerung eine teilweise "hohe Zustimmungsbereitschaft" zur Legalisierung aktiver Sterbehilfe" bestehe. Das aber könne nicht im Interesse der Gesellschaft liegen: "Aufgabe der Politik muss es vielmehr sein, die Verbesserung der medizinischen, pflegerischen und psychosozialen Bedingungen in der letzten Lebensphase anzustreben."
Dass den Wünschen leidender und sterbender Menschen mehr als bisher entgegengekommen werden muss, unterstreicht die Kommission mit einer weiteren Feststellung: "Zu einem würdigen Leben und Sterben gehört die Achtung vor dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und seiner Angehörigen. Sie dürfen nicht zu bloßen Objekten medizinischen oder pflegerischen Handelns gemacht werden. Zur Menschenwürde gehört es, sein eigenes Leben leben und seinen eigenen Tod sterben zu dürfen. Dieses Recht bedeutet nicht, den Zeitpunkt des eigenen Todes bestimmen zu können, sondern dass innerhalb des natürlichen Sterbeprozesses die Wünsche und Bedürfnisse des Einzelnen bis zu seinem letzten Atemzug ernst genommen und berücksichtig werden."
In Deutschland reicht nach Meinung der Kommission das medizinisch-pflegerische Angebot auf diesem Gebiet bei weitem nicht aus. Im Durchschnitt würden je eine Million Einwohner mindestens 35 Palliativbetten benötigt; tatsächlich liegt die Zahl der Betten derzeit aber bei 9,1; sie schwankt zwischen Bremen (25,6) und Baden-Württemberg (4,1). Bei Hospizbetten liegt die Bandbreite zwischen Thüringen (0) und Hamburg (23,5).
Um die Situation zu verbessern, schlägt die Kommission eine Reihe konkreter Maßnahmen vor: Die Freistellung von Angehörigen für die Sterbebegleitung sollte insoweit verbessert werden, als ihnen die Wahlmöglichkeit zwischen Voll- und Teilzeitkarenz gegeben wird. Die Sozialversicherungsbeiträge sollte dann weiter der Arbeitgeber leisten, der die Kosten aber aus Steuermitteln erstattet bekommt. Für eine verbesserte Palliativ-Versorgung wird ferner der Aufbau "multidisziplinärer Palliative-Care-Teams" empfohlen, die an der Schnittstelle zwischen stationärer Krankenhausversorgung und ambulanter Versorgung stehen sollten. Generell sollte es nach Ansicht der Kommission eine gesetzliche Absicherung des Anspruchs auf palliativmedizinische Versorgung geben.
Erforderlich sei schließlich auch eine verbesserte Aus- und Fortbildung der beteiligten Berufsgruppen. Die Ärztliche Approbationsordnung sollte beispielsweise so verändert werden, dass Palliativmedizin zu einem Pflichtlehrfach und zu einem Prüfungsfach für alle Medizinstudenten werde. Noch gebe es gegenwärtig an den deutschen Hochschulen und Universitätskliniken nur wenige derartige Lehr- und Ausbildungsmöglichkeiten: "Langfristig ist anzustreben, an allen medizinischen Fakultäten einen Lehrstuhl für Palliativmedizin einzurichten."
Ausführlich geht der Bericht auch auf Finanzierungsfragen ein. So wird empfohlen, die einschlägigen Bestimmungen im Sozialgesetzbuch so zu ändern, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen zusätzliche Vereinbarungen mit den Anbietern stationärer Hospize treffen müssen. Die derzeit von den Krankenkassen bundesweit pauschaliert gedeckten Anteile an den Bedarfssätzen der Hospize seien "in den meisten Fällen nicht mehr kostendeckend". Der Anteil der Eigenfinanzierung stationärer Hospize sollte von zehn auf fünf Prozent gesenkt werden. Auch sei zu fragen, ob die jetzt geltende Unterstellung stationärer Hospizeinrichtungen unter die Regelungen des Heimgesetzes fortbestehen soll. Nicht benutzte und unaufgebrochene Medikamente sollten unter ärztlicher Kontrolle wiederverwendet werden dürfen.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hatte bei der Entgegennahme des Berichts erklärt, er begrüße die darin gemachten Vorschläge als Alternativen zu "Hilfen für schnelles Sterben". Der Kommisionsvorsitzende René Röspel (SPD) hatte dabei noch einmal auf die Dringlichkeit einer besseren palliativen und Hospizversorgung verwiesen. Die Kommission hatte bereits in den vergangenen Monaten Stellungnahmen zum Thema "Patientenverfügungen" und zum Arzneimittelgesetz abgegeben. Mit ihrer Tätigkeit ergänzt sie die Arbeit der im vorigen Bundestag eingesetzten Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin". Während sich die damalige Kommission stärker auf Fragen zu Anfängen des Lebens (künstliche Befruchtung) konzentrierte, gehören zu den jetzigen Schwerpunkten in verstärktem Maße Themen zu Alter und menschenwürdigem Sterben.