Köhler hatte am 21. Juli seinen Schritt mit den gewaltigen Aufgaben in Deutschland und dem von Bundeskanzler Gerhard Schröder selbst beklagten mangelnden Rückhalt in der eigenen Koalition begründet. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sagte, falls das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe die Neuwahl ablehnt, träte eine sehr schwierige Situation ein. Denn dann entschiede Karlsruhe "gegen drei andere Verfassungsorgane - den Bundestag, den Bundeskanzler und den Bundespräsidenten", sagte er im Deutschlandradio Kultur.
Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte der dpa: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Karlsruher Richter dem Bundespräsidenten folgen werden." Die inhaltliche Frage, ob Schröder noch das stetige Vertrauen seiner Koalition hatte oder nicht, liege nicht in der Hand des Gerichts. "Das musste der Bundespräsident überprüfen." Die Richter könnten nur sagen, ob dieser rechtsfehlerhaft gehandelt habe. "Das sehe ich nicht", sagte der Jurist Struck. Er sieht die Wahl für die SPD noch nicht verloren, weil sich eine Bundestagswahl erst in den letzten Wochen oder Tagen entscheide. "Man darf sich nur nicht irre machen lassen von Meinungsumfragen."
Schulz und Hoffmann wollen in dieser Woche in Karlsruhe klagen, weil sie ein Täuschungsmanöver in der Vertrauensfrage von Schröder vom 1. Juli im Bundestag sehen. Der Verfassungsrechtler Wolf-Rüdiger Schenke, der Schulz vertritt, sagte in einem dpa- Gespräch: "Wenn man die Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht 1983 aufgestellt hat, zu Grunde legt, dann müsste die Klage Erfolg haben." Damals habe das Gericht festgelegt, dass für eine Bundestagsauflösung der Kanzler nicht mehr politisch handlungsfähig sein dürfe und er auch seine Mehrheit verloren haben müsse. Schröder sei aber "immer in der Lage gewesen, auch bei politisch sehr umstrittenen Gesetzen noch eine Mehrheit zu organisieren". Der Staatsrechtler Hans-Peter Schneider, der Hoffmann vertritt, sagte der dpa, es sei schwer vorstellbar, dass das Gericht das Verfahren so durchgehen lasse. Es gebe nicht das geringste Anzeichen dafür, dass der Kanzler das, "was jetzt im Wahlmanifest der SPD stehe, nicht auch mit seiner Fraktion hätte durchsetzen können".
CDU-Generalsekretär Volker Kauder nannte im ZDF Köhlers Erklärung "beeindruckend". Er habe klar gemacht, "dass jetzt der Wähler aufgerufen ist und er hat um einen fairen Wahlkampf gebeten". Auch der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, sagte in Radio NRW, Köhlers Begründung sei so klar, dass sie auch in Karlsruhe Bestand haben werde. Auch die Grünen und die FDP gehen davon aus, dass die Neuwahl verfassungsgemäß ist.