Bayern steht nicht nur im Vergleich der 16 Bundesländer wieder vorne, sondern hat mit Platz fünf in der mathematischen und Platz sechs in der Lese-Kompetenz auch den Sprung in die internationale Spitze geschafft. Sorgen hingegen bereitet - trotz Punktegewinn - das schlechte Abschneiden aller drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Hier schlägt sich der hohe Anteil von Schülern aus Familien mit Migrationshintergrund nieder, aber auch die im Vergleich zu den Flächenstaaten hohe Zahl von Schülern aus sozial schwachen Familien. Oft sind beide Gruppen identisch. 44.580 Schüler im Alter von 15 Jahren aus 1.487 Schulen nahmen an der nationalen PISA-Ergänzung teil. Anders als im Jahr 2000 waren diesmal auch Hamburg und Berlin dabei. Untersucht wurden Kompetenzen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften und erstmals auch die Fähigkeit Probleme zu lösen. Bewertet wurden die Leistungen mit Punkten. Bei der Bewertung eines Landes gilt der Durchschnitt aller Schüler.
Bei der Vorlage der neuen PISA-Ergebnisse kann die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU), immerhin zufrieden feststellen: "Der Bereich Bildung ist in Bewegung geraten", auch wenn sie davor warnt, in dem Bundesländervergleich eine Art Bildungsolympiade zu sehen und zu etablieren: "Es geht nicht um Gewinner und Verlierer." In der politischen Praxis tut es das sehr wohl, denn es ist Wahlkampf und aus diesem Grunde hat man sich in der KMK entschlossen, den Vergleich unter den einzelnen Bundesländern vorab zu veröffentlichen. Die endgültigen Ergebnisse sollen erst im Herbst dieses Jahres präsentiert werden.
Kein Wunder, dass Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sich in seiner Überzeugung bestätigt fühlt, dass in unionsgeführten Bundesländern mehr und besser gelernt wird. Aufgeholt gegenüber der ersten PISA-Studie 2000 haben vor allem auch die CDU-regierten ostdeutschen Länder Thüringen und Sachsen. Für Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan wiederum ist das Ergebnis der neuen PISA-Studie ein Beweis für die Leistungsfähigkeit des dreigliedrigen Schulsystems aus Grund-, Haupt- und Realschule sowie Gymnasium ab Klasse 5 oder in einigen Ländern ab Klasse 7.
Das sieht der Kieler Bildungsforscher Manfred Prenzel freilich ganz anders, der für die Auswertung der PISA-Studie in Deutschland zuständig ist. Er ist ein glühender Verfechter der integrierten Gesamtschule und verweist dabei immer auf die skandinavischen Erfolge. Auch in der internationalen Vergleichsstudie von 2003 lag Finnland wieder vorn - mit 544 Punkten in der mathematischen Kompetenz und mit 553 Punkten in der Lesekompetenz. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 500 bzw. 494 Punkten. In der Rubrik Problemlösen erreichte Berlin nun im Vergleich der Bundesländer mit 507 Punkten immerhin den siebten Platz. Hier liegt der OECD-Durchschnitt bei 500 Punkten.
Kritiker der Vergleichsstudien der OECD weisen allerdings darauf hin, dass Bildung mehr ist als Wissen. Die Tests fragten nur Wissen ab und würden deshalb keine Antwort etwa auf die Frage nach der Sozialkompetenz der 15-Jährigen geben. Einig sind sich die Bildungspolitiker aller Parteien und aller Bundesländer, dass Schule nicht nur Wissen vermitteln soll, sondern auch Werte. Aber Bildung ohne Wissen ist auch nicht möglich. Also haben die PISA-Studien ihre Berechtigung. Als Ende 2001 das deutsche Ergebnis der PISA-Vergleichsstudie 2000 bekannt wurde, beherrschte das Thema Schule die Schlagzeilen. Wie ein Schock wirkte es, dass ausgerechnet die 15-Jährigen aus dem "Land der Dichter und Denker" beim Lesen weit hinter anderen Ländern zurücklagen.
Dass nun Deutschlands Schüler nicht zuletzt in Mathematik und Naturwissenschaften aufgeholt haben, liegt jedoch nicht nur am PISA-Schock. Hierfür war die Zeit zwischen Ende 2001 und der neuen Studie 2003 zu kurz. Vielmehr dürfte dies der internationalen TIMMS-Studie aus dem Jahr 1997 zuzuschreiben sein, die schon damals den deutschen Schülern nur mittelmäßige Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften bescheinigte. Es folgte das SINUS-Programm, das seitdem an vielen Schulen durchgeführt wird. Aber auch der PISA-Schock von 2001 ist nicht ohne Wirkung geblieben. So appellierte der parteilose Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Jan-Henrik Olbertz, an Eltern, Lehrer und Schüler, Leistung in der Schule nicht gering zu achten und dem Lernen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Schließlich hätten nur gute und leistungsstarke Schüler wirkliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Dabei zählt Sachsen-Anhalt mit einer der höchsten Arbeitslosenquoten zu den ärmsten Bundesländern. Ihm fehlt es deshalb auch an den finanziellen Mitteln, das Schulwesen zu modernisieren und so auszustatten, dass es den zeitgemäßen Anforderungen entspricht. Dennoch holten die 15-Jährigen aus eben diesem Bundesland stark auf. Im Bereich der mathematischen Kompetenz erzielten sie 26 zusätzliche Punkte gegenüber dem Jahr 2000, in der Lesekompetenz gar 27 Punkte. Eine Folge des "Rucks", der durch Sachsen-Anhalt gegangen ist?
PISA 2003 zeigt, dass die 16 Bundesländer enger zusammenrücken und dass die Bildungsschere zwischen West- und Ostdeutschland fast geschlossen ist. Hingegen gibt es ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Rechnet man die Punktedifferenz zwischen Bayern auf Platz 1 und Bremen auf Platz 16 in Schulzeit um, dann ergibt sich zwischen ihnen eine Differenz von anderthalb Schuljahren. Dass dies nicht auf Dauer hingenommen werden kann, ist innerhalb der Kultusministerkonferenz unstrittig. Auch dass mehr für Migrantenkinder getan werden muss, deren Anteil in Bremen bei 40 Prozent, in Bayern bei nur 22 und in Sachsen bei lediglich fünf Prozent liegt.
Wie steht Deutschland nun im internationalen Vergleich da? In der mathematischen Kompetenz weit abgeschlagen hinter Finnland, Korea, Niederlande, Japan, der Tschechischen Republik und weiteren Staaten. Immerhin liegt Deutschland mit drei Punkten noch über dem OECD-Durchschnitt von 500 Punkten. In der Lesekompetenz aber unterschreitet Deutschland den OECD-Durchschnitt von 494 Punkten um drei Punkte. Allerdings sieht die Situation anders aus, wenn es um die einzelnen Bundesländer geht. Hier sind einige - im Gegensatz zum deutschen Durchschnitt - in die internationale Spitze vorgedrungen.
Alles in allem ergibt sich ein uneinheitliches Bild, das dennoch zeigt, dass Deutschland langsam aufholt. Nun wird man auf die genauen Auswertungen gespannt sein dürfen und darauf, wie der nächste Test ausfallen wird, der für das Jahr 2006 geplant ist. Der PISA-Schock von 2001 sitzt tief in Deutschland. Die Bundesländer dürfen in ihren Anstrengungen nicht nachlassen, das Schulsystem nachhaltig und dauerhaft zu verbessern. Dass dies auch Geld kostet, dürfte sich zwischenzeitlich herumgesprochen haben. Nicht zuletzt auch in westdeutschen Schulen, etwa in Nordrhein-Westfalen. Dort tröstete der neue Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) seine Schulministerin Barbara Sommer, für die Misere sei nicht sie, sondern die rot-grüne Vorgängerregierung verantwortlich. Beim nächsten PISA-Test wird dieser Hinweis freilich nur noch bedingt taugen.
Der Autor ist freier Journalist, Berlin/Bonn.