Im südbadischen Freiburg beharken sich der grüne Rathauschef Dieter Salomon, die Fraktionen in Gemeinderat und das Stadttheater, weil in dem Mu-sentempel angesichts der Ebbe im kommunalen Säckel Schmalhans als Küchenmeister auftritt. Im sächsischen Freiberg droht das Kulturleben zu veröden, weil dem örtlichen Theater wegen versiegender Subventionen des Landes die Schließung droht. Republikweit zu hören ist das Heulen und Zähneklappern in Berlin, wo wegen der horrenden Verschuldung permanent über das Aus von Opern, Theatern und freien Projekten gestritten wird.
Ob Heimatmuseen in Kleinstädten, ob Gesangvereine und Musikkapellen in Dörfern, ob Kunstausstellungen und Bühnen in Großstädten: Zwischen Ostsee und Alpen leiden Kulturschaffende fast überall unter mehr oder weniger drastischen Einschnitten, weil den Rat-häusern die finanzielle Luft ausgeht. "Das Geld für den kulturellen Sektor wird in erster Linie in den Kommunen ausgegeben", sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats. Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, des Verbands der Klein- und Mittelstädte: "Im Jahr 2003", das sind die neuesten Daten, "investierten Bund, Länder und Gemeinden über acht Milliarden Euro in die Kultur, und davon stammt mit rund 45 Prozent der Löwenanteil aus den Kommunen." Kürzungen schlagen da besonders hart ins Kontor. Etwa 43 Prozent der Gesamtsumme kommen von den Ländern, zwölf Prozent von der Bundesregierung.
"Ohne Moos nix los", konstatiert Zimmermann nüchtern, der über spürbare Einschnitte in den Kulturetats der Rathäuser klagt. Fehlt es an einer schlagkräftigen Lobby beim Gerangel um knappe Mittel, beim Ringen um den gesellschaftlichen Stellenwert lokaler Kultur? Differenziert äußert sich Folkert Kiepe, beim Deutschen Städtetag Beigeordneter für Bauen, Wohnen, Verkehr und Stadtentwicklung wie für Kultur: "Selbstverständlich bleibt dieser Bereich von den Sparzwängen nicht verschont, aber die Kulturetats werden in der Regel nicht überdurchschnittlich gekürzt." Bislang seien diese Töpfe noch nicht zu "Steinbrüchen der Finanzdezernenten" geworden, "auch wenn der Konkurrenzkampf etwa mit dem Nahverkehr oder dem Straßenbau härter wird." Schönreden will Kiepe, dessen Organisation die größeren Städte repräsentiert, die Lage natürlich nicht.
Durchwachsen klingt die Bilanz auch beim Städte- und Gemeindebund. Klar, sagt Ulrich Mohn vom Kulturreferat, "als freiwillige Aufgabe steht die Kultur unter besonderem Druck." Sprecher Habbel ergänzt, "dass die finanzielle Talsohle im Grunde erreicht ist", beispielsweise tendierten die Zuschüsse für Vereine vielerorts mittlerweile gegen Null. Indes sei "kulturell doch enorm viel los", meint Mohn, "die kommunale Kultur hat sich bisher ganz gut behauptet."
Wenn trotz der allgemeinen Finanzmisere die Kultur immer noch ein recht lebendig sprießendes Pflänzchen ist, dann hat das auch mit der Arbeit der kommunalen Spitzenverbände wie der des Kulturrats zu tun. Dabei geht es nicht nur um die Ausstaffierung dieses oder jenes Etatpostens für ein Tanzensemble oder ein Kabarett. Eine zentrale Rolle kommt auch dem Bemühen um das Erschließen neuer Ressourcen zu: Ehrenamtliches Engagement, Sponsoring, Public-Private-Partnership, Stiftungen - für solche Konzepte rühren die Spitzenorganisationen intern eifrig die Werbebetrommel. Vonnöten sind zudem effizientere Organisationsformen, Entbürokratisierung, eine bessere Kooperation verschiedener Kulturträger und die Schaffung von Freiräumen für künstlerisch Tätige. Mohn: "Der finanzielle Druck kann auch Kreativität mobilisieren." Da sehen sich Städtetag wie Städte- und Gemeindebund als Katalysator, als Ideengeber, als Vermittler.
Solche Aktivitäten sind nicht sonderlich schlagzeilenträchtig. Das gilt auch für Leitlinien, Handreichungen und Tipps, die der Städtetag für die Digitalisierung von Archivmaterial, für die Praxis in Kommunalarchiven, für Kunstschulen und Jugendbildung oder für Musikschulen erstellt.
Lobbying im engeren Sinne ist aus Sicht Olaf Zimmermanns nicht die Aufgabe der kommunalen Spitzenverbände. Der Kulturrats-Geschäftsführer: "Beim Kampf um die Ausstattung der Kulturetats muss vor Ort der Druck von außen kommen." Betroffene Einrichtungen müssten Unterschriften sammeln, Protestaktionen veranstalten, die Medien einschalten, "man muss auch mal dem Bürgermeister bei einem Rundgang im Museum drastisch vor Augen führen, wie es dort mangels Dachsanierung reinregnet."
Folkert Kiepe meint, "dass sich der Städtetag natürlich nicht in handfeste Konflikte in einzelnen Rathäusern einmischen kann." Der Kulturrat klinkt sich ebenfalls nicht konkret vor Ort in Auseinandersetzungen ein. Zimmermann: "Wir setzen uns dafür ein, dass Bundes- und Ländergesetze der kommunalen Kultur nützen." Als Erfolg in diesem Sinne wertet der Geschäftsführer das Engagement für eine Verbesserung des Stiftungsrechts, die nicht zuletzt den Kunstschaffenden und dem Kulturangebot auf lokaler Ebene diene.
In ihrem Kampf gegenüber Bund und Ländern für eine generell bessere Finanzausstattung der Kommunen sehen die beiden Spitzenverbände ihren wichtigsten politischen Beitrag für die Stärkung der Kultur in Städten und Gemeinden: Wenn mehr im Topf ist, fällt auch mehr für die Kultur ab. Unabdingbar für eine wirksame Interessenvertretung ist auch das, was man kulturpolitische Klimapflege nennen könnte: nämlich das offensive Eintreten für die lokale Kultur als unverzichtbarer gesellschaftlicher Faktor. Kiepe verweist auf verschiedene Memoranden des Städtetags zur lokalen Kulturpolitik. In der Kommune, hebt der Dezernent hervor, leiste die Kultur viel bei der Identitätsstiftung, bei der sozialen Integration gerade im Blick auf Zuwanderung, bei der Wirtschaftsförderung als "weicher Standortfaktor" oder bei der Belebung öffentlicher Räume angesichts sinkender Einwohnerzahlen. Eine intensive politische Debatte in diesem Sinne, gibt sich Kiepe überzeugt, stärkt auch Kulturpolitiker im Rat-häusern und Kunstschaffende vor Ort beim Ringen um Selbstbehauptung. Im Kulturausschuss des Städtetags firmiert Stadtentwicklung und Kultur neuerdings als einer der Themenschwerpunkte.
Der Städte- und Gemeindebund befasst sich mit einem weithin noch unterschätzten Problem: der rechtlichen Absicherung von Sponsoring wie sonstiger Formen privater Geldbeschaffung für kulturelle Aktivitäten. Ulrich Mohn: "Wenn ein Unternehmen eine Skulptur bei einem Brunnen bezahlt und sich bei der Kommune für irgendeinen Auftrag bewirbt, kann doch schnell ein Korruptionsverdacht auftauchen. Und schon stehen Staatsanwälte im Büro des Bürgermeisters." Wie vermint dieses Gelände ist, zeigt ein Konflikt in Saarbrücken. Dort forderte der Antikorruptionsbeauftragte, dass sich Sponsoren erst einmal bei der Stadt bewerben müssen, bevor sie ein Event fördern dürfen. Als wegen des solcherart formulierten Generalverdachts ein Sturm der Entrüstung unter den Geldgebern losbrach und plötzlich Festivals gefährdet waren, zog der Gemeinderat den sonderlichen Plan wieder aus dem Verkehr. In Baden-Württemberg verhandelt der Städte- und Gemeindebunds mit Regierung und Parlament über eine gesetzliche Regelung dieser Grauzone, das könnte ein republikweites Pilotprojekt werden.
Ein "heißes Thema" (Mohn) ist in den Spitzenverbänden die umstrittene Umland-Finanzierung. Größere Städte verlangen, dass ihre Theater und Museen von kleineren Orten in der Nachbarschaft mitbezahlt werden, da deren Bürger das subventionierte städtische Angebot mit in Anspruch nähmen. Der Kulturausschuss des Städte- und Gemeindebunds weist solche Forderungen zurück: Schließlich nutzten im Gegenzug die Städter gern die Freizeitmöglichkeiten im Umland. Sollte es in diesem Streit keine Lösung geben, drohen weitere Einsparungen in Kulturetats.
Olaf Zimmermann plädiert energisch dafür, angesichts der härteren Verteilungskämpfe die Kulturbeauftragten in den Rathäusern mit eigenständigen Kompetenzen auszustatten und diese Aufgabe nicht einfach anderen Dezernenten als Anhängsel zuzuschustern. Der Kulturrats-Geschäftsführer sieht die Spitzenverbände in der Pflicht, ihrerseits positive Signale auszusenden. Zimmermann freut es deshalb, dass der Städte- und Gemeindebund wieder einen eigenständigen Kulturausschuss einrichtet, nachdem dieses Gremium zuvor mit der Sozialkommission zusammengelegt worden war.
Beim Städtetag beackert Folkert Kiepe die Kultur zusätzlich zu den Feldern Bauen, Wohnen und Verkehr. "Die Kultur läuft keineswegs nur nebenbei", betont Kiepe, das habe sich inzwischen gut eingespielt: "Aber natürlich wäre es schon aus Gründen des Zeit- und Arbeitsaufwands besser, ein Dezernat allein für Kultur, Bildung und Schule zu haben." Doch das ist, wie in vielen Rathäusern, eine Frage der Finanzen: Auch der Städtetag muss sparen, weshalb der Verband sein eigenständiges Kulturressort aufgelöst hat.
Internet: www.kulturrat.de (Deutscher Kulturrat)
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin.