Im FDP-Wahlprogramm steht es, die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, Monika Griefahn (SPD) macht sich schon lange dafür stark und auch in Teilen der CDU scheint der Vorschlag salonfähig zu werden: Ein eigenes Ministerium soll Kultur in der Bundesrepublik von der politisch zweiten in die erste Reihe befördern. Was beinahe selbstverständlich klingt, dürfte jedoch eine Menge Konfliktstoff bieten, denn wie viel kulturelle Einheit es in Deutschland geben und vor allem, wie sie gestaltet werden soll, ist zwischen Bund und Ländern noch längst nicht ausdiskutiert.
Dabei scheint die Aufgabenteilung auf den ersten Blick völlig klar. Die Kulturhoheit, so schreibt es das Grundgesetz fest, liegt als ein "Herzstück der Eigenstaatlichkeit" eindeutig bei den Ländern: "Weder die Überregionalität noch die gesamtstaatliche oder nationale Bedeutung einer Aufgabe können allein eine Bundeskompetenz begründen", gibt Jürgen Meinck, in der hessischen Staatskanzlei zuständig für den Bereich Bundesrat und Föderalismus, die Auffassung der Ministerpräsidenten wieder. Der Kulturföderalismus ist in Deutschland historisch begründet, weil die einzelnen Regionen auch nach der Reichseinigung 1871 mit Ausnahme der Zeit des Nationalsozialismus kulturell stets eigene Wege gegangen sind. Der Erhalt der so entstandenen Vielfalt wird von niemandem ernsthaft in Frage gestellt: "Eine Zentralisierung", betont etwa der bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU), "würde der deutschen Kultur nicht Rechnung tragen."
Länderübergreifendes Gremium für den Informationsaustausch, Empfehlungen, die Finanzierung überregionaler Projekte oder die Zusammenarbeit mit dem Bund ist die Kultusministerkonferenz (KMK). Nach den Kommunen, die nach dem Kulturfinanzbericht von 2003 im Jahr 2001 mit 44,6 Prozent den größten Teil der öffentlichen Kulturausgaben bestritten, schulterten die Länder mit 43 Prozent die zweitgrößte finanzielle Last. Auf den Bund entfielen 12,4 Prozent. "Der Bund macht mit relativ geringen Mitteln die Kür, die Pflichtaktivitäten der Länder aber werden nicht wahrgenommen", kritisiert vor diesem Hintergrund der Vorsitzende des KMK-Kulturausschusses, Toni Schmid.
Dabei sind auch die Kompetenzen unstrittig, die dem Bund zufallen. So ist das Auswärtige Amt für die auswärtige Kulturpolitik zuständig, deren Leitlinien zum größten Teil über so genannte Mittlerorganisationen wie dem Goethe-Institut oder dem Deutschen Akademischen Austauschdienst umgesetzt werden.
Eine Vielzahl von Förderkompetenzen hat der Bund aber auch im Inland, etwa für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Stiftung Weimarer Klassik, für Gedenkstätten, die Kulturförderung in der Bundeshauptstadt Berlin oder Kultureinrichtungen in Ostdeutschland. Seit 1998 ist die Kultur- und Medienpolitik des Bundes im Amt der Beauftragten für Kultur- und Medienpolitik gebündelt, die vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien kontrolliert wird. Die jetzige Amtsinhaberin, Christina Weiss, versteht sich als "Anwältin der Künste".
Übersichtlicher ist Deutschlands Kulturpolitik damit aber offensichtlich nicht geworden, zumal, wie Meinck betont, die Auffassung von Bund und Ländern über die von der Bundesregierung beanspruchten Zuständigkeiten nach wie vor "weit auseinander liegen". Zwar haben die Ländervertreter keine Einwände, dass der Bund seine Zuständigkeiten zentralisieren möchte - egal wie die entsprechende Behörde am Ende heißt. Eine Zusammenlegung der kulturellen Aufgaben des Bundes gilt vielmehr als notwendig und unvermeidbar. "Verfassungsrechtliche Probleme ergeben sich dann, wenn der Bund seine Kompetenzen überschreitet - unabhängig davon, wie er dies institutionell organisiert", erklärt jedoch Wissenschaftsminister Goppel. Und Grenzüberschreitungen drohen offenbar immer dann, wenn ein Bundesland den Bund mit ins Boot holen möchte, um Projekte zu realisieren, die sonst aus finanziellen Gründen scheitern würden, oder um eigene kulturelle "Leuchttürme" stärker zu fördern. "Die Länder tolerieren umstrittene Bundeszuständigkeiten, weil sie kein Geld haben", bringt es ein Insider auf den Punkt.
Für finanziell schlicht überfordert hält auch Monika Griefahn manche Länder. "Der Bund braucht Kompetenzen", sagt die SPD-Politikerin. Eine Einschätzung, die auch die Leiterin der 2002 gegründeten Kulturstiftung des Bundes, Hortensia Völckers, teilt. "Es muss eine Vertretung der Kultur auf Bundesebene geben, wenn man die Interessen der Kultur wahren will", betont Völckers. 700 Projekte mit insgesamt 38 Millionen Euro hat die Stiftung mittlerweile auf den Weg gebracht, darunter Veranstaltungen zum "Schiller Gedenkjahr", "Albert Einstein und das Jahrhundert der Physik", "Schrumpfende Städte" oder "Zukunft der Arbeit". "Wenn die Kulturstiftung des Bundes derartige Projekte in Auftrag gibt, wächst die Chance, dass solche gesellschaftlich wichtigen Themen ein stärkeres Gewicht in der öffentlichen Wahrnehmung bekommen", glaubt die Vorsitzende.
Für Gegenwartskultur ist die Bundesstiftung zuständig, für die Wahrung des kulturellen Erbes jedoch die 1987 ins Leben gerufenen Kulturstiftung der Länder. Eine Aufgabenteilung, die derzeit eher für ein kulturpolitisches Nebeneinander als für ein Miteinander steht. Die angestrebte Fusion beider Stiftungen scheiterte im vergangenen Jahr, weil man sich weder über die Frage der Mehrheitsentscheidung in Konfliktsituationen einigen konnte noch über Finanzierungsgrundsätze. Ein weiteres Beispiel für einen misslungenen Zentralisierungsversuch ist die "Bundesstiftung Baukultur", ein Instrument um Baukultur bundesweit und international zu fördern. Das im Mai diesen Jahres im Bundestag einstimmig verabschiedete Stiftungsgesetz fiel auf Antrag der unionsgeführten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen einen Monat später im Bundesrat durch. Begründung: Der Gesetzentwurf sei verfassungswidrig, weil er in den Kernbereich der Länderhoheit eingreife.
Ob die eigentliche Ursache im übertriebenen Ehrgeiz der Länder oder der kulturpolitischen Raffgier des Bundes begründet liegt, möchte niemand so recht beantworten. Klar ist jedoch, dass keine Seite die Tür zu weiteren Kooperationsversuchen zuschlagen möchte. Der Eindruck, Bund und Länder würden auf dem Gebiet von Kunst und Kultur ausschließlich in "Konfrontationsstellung" verharren, ist nach Meincks Ansicht unzutreffend. So wird eine gemeinsame Kulturstiftung nach wie vor von allen Beteiligten für sinnvoll erachtet. Die Pläne seien derzeit nur "auf Eis gelegt", sagt auch Griefahn.
"Klare Verhältnisse" und eine "rechtlich stringent regulierte Partnerschaft", hat Kulturstaatsministerin Weiss unlängst in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung für künftige gemeinsame Projekte zwischen Bund und Ländern gefordert. Diese bleiben in den Augen von Thomas Goppel jedoch Einzelfälle, die nach verfassungsmäßiger Prüfung der Bundeskompetenz nur funktionieren könnten, wenn es klare Vereinbarungen zu den Finanzierungsgrundsätzen gebe. Nur so könne man sicher stellen, dass "vergleichbare Förderfälle in allen Ländern gleich behandelt werden".
Vereinbarungen über kulturpolitische Ziele und strategische Linien ziehen, ist der Vorschlag von Monika Griefahn. Für unerlässlich hält die Vorsitzende des Kulturausschusses ein im Bundeskanzleramt angesiedeltes, dem Auswärtgen Amt gleichgestelltes Kulturministerium, dem auch die Zuständigkeit für die Schulen im Ausland und die Goethe-Institute übertragen werden könne. Erst dadurch bekomme Deutschland eine tatsächlich handlungsfähige Repräsentanz auf Bundesebene, die in Europa und besonders für den Bereich der auswärtigen Kulturpolitik Engagement zeigen müsse. Dass die Diskussion nicht auf Deutschland beschränkt bleiben dürfte, ist im übrigen auch Toni Schmid klar: "Die Kooperation zwischen Bund und Ländern ist letztlich nur das Trainingsgelände für die kulturelle Zusammenarbeit innerhalb Europas."
Die Autorin arbeitet für das Journalistenbüro Surpress,
Wiesbaden.