Die "Cornelsen Kulturstiftung" hilft preußischen Schlössern im Berliner Raum; die "Kunststiftung Baden-Württemberg" vergibt jährlich 30 Kunststipendien; die "Stiftung Zeche Zollverein" aus Essen belebt das im Bauhausstil gebaute, einst größte Bergwerk der Welt. Stiftungen erleben einen Boom, ihr Stellenwert wächst, wenn auch nicht so wie Finanzpolitiker und Kämmerer es erhoffen.
852 Stiftungen wurden im Jahr 2004 neu errichtet, im Jahr 1990 waren es nur 180. Von den 13.630 bestehenden gemeinnützigen Stiftungen (Stand: Ende 2004) sind 4.000 in den vergangenen fünf Jahren dazugekommen. Der Aufschwung hat mindestens drei Ursachen. Stiftungsgründungen sind seit dem Jahr 2000 steuerlich attraktiver geworden; die öffentliche Hand nutzt Stiftungen unter anderem in "Public-Private-Partnerships", und die Gründergeneration der Bundesrepublik tritt langsam ab. Pro Jahr werden in Deutschland etwa 130 Milliarden Euro vererbt. Tendenz steigend. 35 Prozent der Stiftungen dienen sozialen Zwecken, andere helfen Forschung, Bildung, Umwelt, ein knappes Fünftel fließt in die Kultur. In der Hitparade der deutschen Stiftungen besitzt die "Robert Bosch-Stiftung" mit 5,1 Milliarden Euro Einlagekapital das größte Vermögen, es folgen die Landesstiftung Baden-Württemberg (drei Milliarden Euro) und die Volkswagen-Stiftung (2,1 Milliarden Euro, Quelle: Verband Deutscher Stiftungen). Auf Bundesländer verteilt ist die Stiftungsbereitschaft in Hamburg besonders hoch. Hier gibt es 53 Stiftungen pro 100.000 Einwohner, dahinter folgen Bremen (33 pro 100.000) und Hessen (21 pro 100.000).
Die Grundidee einer Stiftung ist, privates Geld dauerhaft gemeinnützigen Zwecken zufließen zu lassen. Ein Stifter zahlt, anders als ein Mäzen oder Sponsor keine direkten Zuschüsse, sondern legt zunächst privates Vermögen in eine Stiftung ein. Dieses Kapital darf, auf ewig, nicht mehr angetastet werden. Nur die Erlöse kommen zur Ausschüttung, meist sind das Zinsen, manchmal auch Gewinne aus Aktien oder Betriebsanteilen.
So eine klassische Persönlichkeitsstiftung gründete im Jahr 1988 in Hamburg der Industrielle Hermann-Hinrich Reemtsma. Die nach seinem Vater benannte "Hermann Reemtsma Stiftung" hat sich unter anderem der Kulturerhaltung und Denkmalpflege verschrieben, besonders in Norddeutschland. So unterstützt sie in Hamburg "Lunchkonzerte" in der Handelskammer oder sponsorte die Ausstellung "Im Garten von Max Liebermann" der Hamburger Kunsthalle. Seit 1992 geht ein Teil der Fördermittel in die neuen Länder. Allein für die Restaurierung der Flügelmauern am "Belvedere" in Potsdam wurden eine Million Euro zur Verfügung gestellt. Die "Reemtsma-Stiftung" ist eine Vorsorge-Stiftung. Im Gegensatz zur Nachlass-Stiftung stellt der Stifter selbst die entscheidenden Weichen. Er hat festgelegt, dass die Stiftung nicht Einzelkünstler, sondern gemeinnützige Institutionen unterstützt. Die Stiftung soll Starthilfe geben, aber nicht als Dauerförderer auftreten. In diesem Punkt sind fast alle privatrechtlichen Stiftungen einig. Sie wollen einen Anlass fördern, ein Projekt anschieben, aber nicht als Löcherstopfer der Kulturetats auftreten. Die "Reemtsma Stiftung" verteilt ohne großes Aufsehen die Zinserträge nach dem Motto: Nur ein stiller Stifter ist ein guter Stifter.
Öffentliche Stiftungen dagegen suchen Kontakte. Sie sind gegründet, um Gelder einzusammeln. Die "Kulturstiftung der Länder" mit Sitz in Berlin erzielt kaum Einnahmen durch Zinsen. Bei ihrer Errichtung 1987 legten die damals noch elf Bundesländer nur die Mindestsumme ein. Das taten dann auch die fünf neuen Länder. Der Zinserlös beträgt nur ein paar tausend Euro. Damit lässt sich der Zweck "Förderung und Bewahrung von Kunst und Kultur nationalen Ranges" nicht bestreiten. Den Kauf einer Passionsfolge von Hans Holbein d. Ä. oder Buchrestaurierungen aus der Stiftsbibliothek Zeitz kann man damit nicht realisieren. Die Stiftung ist angewiesen auf Zuschüsse der Bundesländer. Sechs Millionen Euro stehen jährlich für Ankäufe etc. zur Verfügung. Per Satzung ist festgeschrieben, dass die Stiftung Projekte nicht vollfinanziert, sondern höchstens ein Drittel der anfallenden Kosten trägt. Generalsekretärin Isabel Pfeiffer-Poensgen ist daher stets bemüht, Zuförderungen oder Patenschaften einzuwerben. Das gelingt ihr nach eigener Aussage mit einer Stiftung besser, als wenn sie eine öffentliche Behörde leiten würde. Sie ist in der Entscheidung flexibler und hat über den "Bundesverband der Stiftungen" kurze Drähte zu anderen Stiftungen oder Sponsoren. Doch auch hier gilt: Eine Dauerförderung soll es nicht geben. So ist das bei den meisten öffentlichen Stiftungen, die Mitfinanziers gewinnen müssen. Letztere beteiligen sich nur an ausgewählten Projekten. Ähnlich sieht es bei den so genannten "PPPs", Kurzform für "Public-Private-Partnerships", aus. Auch sie sind als Sparstrumpf ungeeignet.
Die "Stiftung museum kunst palast" aus Düsseldorf ist eine "PPP - Public Private Partnership". Darunter versteht man einen Zusammenschluss öffentlicher und privater Förderer mit gegenseitigem Nutzen, für beide neudeutsch eine "win-win" Situation. Die Stadt überschrieb ab dem Jahr 2000 ihr sanierungsbedürftiges Museumsgebäude am "Ehrenhof" an die Stiftung. Die verkaufte zum marktüblichen Preis einen Teil an den Energieversorger "E.On", der dort sein neues Hauptquartier bezog.
Dann wurde ein kompliziertes Geflecht aus Landeszuschüssen, Stiftungs- und Sponsorengeldern geknüpft, das dem Museum zu deutlich mehr Mitteln als vorher verhalf. Die Stadt musste sich im Gegenzug verpflichten, ihren Zuschuss samt Lohnsteigerungsanteil zu halten, das macht vier Fünftel des Etats. Das Stiftungskuratorium ist paritätisch besetzt und besteht aus Vertretern der Stadt und privaten Trägern. Generaldirektor Jean Hubert Martin ist ein großer Anhänger dieses privatrechtliche Modells. Die kameralistische Buchführung ist abgeschafft und die Wirtschaftsleute im Kuratorium haben, wie er sagt, eine zugreifende Attitüde zu Public Relations. Dass sie ihre Logos groß auf Plakate und Poster drucken, hält er für normal und mittlerweile üblich bei allen Museen. Eine Einflussnahme oder gar Zensur seitens der Stifter oder Sponsoren hat er bisher nicht festgestellt, jedoch den vehementen Wunsch nach einem möglichst großen Nachhall in der Öffentlichkeit.
Seit Ende der 90er-Jahre kommt eine für Deutschland neue Form auf: die Bürgerstiftung. Die Idee orientiert sich an dem amerikanischen Modell der "community foundations". Nicht ein wohlhabender Bürger gründet seine eigene Stiftung, sondern viele Bürger tun sich dort zusammen. Rund 300 Personen bilden in der Stadt Lengerich am Rand des Teutoburger Waldes die - laut Stiftungsvorstand - zahlenmäßig größte Bürgerstiftung Deutschlands. Sie entstand als Folge einer Bürgerbeteiligung über die Zukunft der Gempt-Halle, einer ehemaligen Drahtfabrik. In einem langen Prozess gründete sich eine für den Betrieb der Halle verantwortliche Bürgerstiftung, um ein Kulturprogramm vom Kabarett bis zum klassischen Konzert zu gestalten und um einen Platz für Stadt- und Schulfeste zu eröffnen. Der Betrieb läuft hauptsächlich ehrenamtlich. Die Aktiven bringen sogar Geld mit. Alle Stifter legten dort mindestens 500 Euro unwiederbringlich ein. Eine selbstständige Stiftung muss mindestens 50.000 Euro Kapital besitzen, da sonst der Ertrag zu niedrig ist. Durch Privatpersonen, Banken, Geschäftsleute und Vereine kam eine Viertelmillion zusammen. Sie bringt nicht genug Zinsertrag, aber die Stadt
hat sich verpflichtet, mindestens 150.000 Euro zuzusteuern. Die Entscheidungsprozesse der Bürgerstiftung laufen wie in einer Aktiengesellschaft. Es gibt eine Stifterversammlung, den Stiftungsrat, gleichzusetzen mit einem Aufsichtsrat, und den Stiftungsvorstand. Im Unterschied zu einer Aktiengesellschaft erhält aber jeder Stifter, egal ob er 500 oder 10.000 Euro eingebracht hat, nur eine Stimme. Majoritätenbildung mittels Geld gibt es hier nicht. Bürgerstiftungen wie in Lengerich sind offenbar geeignet, eine einschlafende Kulturszene wieder aufzuwecken. Diese Idee überwiegt auch bei der Philosophie einer privatrechtlichen Stiftung. Ein wohlhabender Privatmann sucht nach einer sinnvollen Betätigung und möchte durch sein kulturelles Engagement nicht in Vergessenheit geraten. Dennoch wollen Stifter nicht als Goldesel für die Kämmerer verstanden werden.
Johannes Rau sagte einmal, Kultur sei nicht das Sahnehäubchen einer Gesellschaft, sondern ihre Hefe. Stifter sind aber zum Sahnehäubchen eher bereit als zum Hefeteig. Festivals, öffentliche Museen oder Bühnen erhalten von ihnen bei "Events" die größte Unterstützung. Die Basiskultur von der Musikschule bis zum Theater sehen sie nicht als ihre Aufgabe. Zur kulturellen Grundversorgung muss sich der Staat bekennen, genauso wie zur anderen Seite der Szene, wo das Anstößige, Schwierige, Neuartige, Skandalöse wächst. Hier werden sich nur wenige Stifter engagieren. Darüber muss die öffentliche Kulturpolitik weiterhin ihre nicht-zensierende Hand halten.
Internet:
www.stiftungen.org (Verband Deutscher Stiftungen)
www.kunststiftungnrw.de
www.museum-kunst-palast.de
Martin Burkert ist Journalist und Autor und lebt in Hattingen.