Berühmt ist ein Wortwechsel im Bundestag der frühen Bundesrepublik. Auf eine hitzige Attacke des FDP-Abgeordneten Thomas Dehler, die SPD habe ihre liberalen Urtsprünge verraten, antwortete der Sozialdemokrat Carlo Schmid lakonisch: "Herr Kollege Dehler, ich habe den Liberalismus nicht verraten, ich habe ihn zu Ende gedacht." In unserer Zeit hat der Liberalismus Mühe, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen.
Das Ringen zwischen Konservativen und Liberalen seit der Paulskirche spiegelt die grundsätzliche Auseinandersetzung über den politischen Weg Deutschlands im 19. Jahrhundert wider. Beide Seiten brachten große Parlamentarier hervor. An die liberalen Abgeordneten im Reichstag des Kaiserreiches (1871 - 1918) erinnert jetzt dieses überaus materialreiche biografische Handbuch. Es sind fast 1.000 Politiker, die hier mit genauen Angaben zu Lebensweg, beruflicher Leistung und mit Literatur zu ihrer Person aufgeführt werden; neben großen Namen wie Theodor Mommsen, Ernst Bassermann und Eugen Richter findet man viele unbekannte Namen. Liberalismus war fließend, was Bismarck bekanntlich virtuos ausgenutzt hat. Das Spektrum reicht von der Fortschrittspartei bis zu Nationalliberalen und Vertretern der Liberalen Reichspartei. Zahlreiche Fotos und ein allgemeines sowie auf die einzelnen deutschen Länder bezogenes Literaturverzeichnis beschließen diesen wichtigen Band.
Bernd Haunfelder
Die liberalen Abgeordneten des deutschen Reichstags 1871 - 1918.
Ein biographisches Handbuch.
Aschendorff Verlag, Münster 2004; 512 S., 49,- Euro