Tatsächlich lässt sich in "Apocalypse Now", dieser freien, von überrealistischen Kampfszenen bestimmten Verfilmung des Joseph Conrad-Romans "Herz der Finsternis", keine eindeutige ethische Position ausmachen - weder zum damals erst sechs Jahre zurückliegenden amerikanischen Rückzug aus Vietnam, noch zum Krieg im Allgemeinen. Derart offen zeigt sich dieser Film für Interpretationen, dass man ihn sowohl als kriegsverherrlichend wie als pazifistisch lesen kann. Stürzt etwa der rauschhaft montierte Fluss der apokalyptischen Kampfhandlungen, zu denen einmal Wagners "Walkürenritt" aus dem Kampfhubschrauber dröhnt, den Zuschauer in den Sog lustvoll inszenierter Stahlgewitter? Oder ist es andererseits überhaupt möglich, die schonungslose Darstellung sinnlosen Sterbens nicht als Anklage gegen die Kriegstreiber zu werten?
Schon lange bevor in der Kritik zwischen Kriegs- und Antikriegsfilmen unterschieden wurde, stritt man über die generelle Darstellbarkeit dieses Sujets. Selbst zwei so kritisch gegenüber dem Krieg ausgerichtete Filmklassiker wie Lewis Milestones Remarque-Verfilmung "Im Westen nichts Neues" (1930) und Bernhard Wickis "Die Brücke" (1959) entfachten zur Entstehungszeit erhebliche Debatten, ob sie ihr Anliegen nicht zu kompromissbereit vortrügen. Beide Filme stellen am Beispiel jugendlicher Kriegsteilnahme die Sinnlosigkeit ihrer Einsätze heraus.
In Milestones Film kommt der Freiwillige Paul während des Fronturlaubs in seine Schule zurück und wird vom Lehrer gebeten, eine aufbauende Ansprache zu halten. Verzweifelt beteuert er, nicht reden zu können. Siegfried Kracauer, dem Kritiker der "Frankfurter Zeitung", ging diese Szene in ihrer Aussage nicht weit genug: "Diese Stummheit kennzeichnet die höchst anfechtbare Neutralität des Films. Sie ist der Erkenntnis feindlich. Sie steigert den Krieg zum mythischen Schicksal empor, das er nicht ist, und belässt ihm die Unabwendbarkeit, die er nicht hat. Ich befürchte, dass die Kriegslüsternen unter den Jungen durch den Film nicht davon zurückgehalten werden, neue Heldentaten zu begehen. Und ich schätze, das Reichswehrministerium hat gar keinen Grund, so in Sorge zu sein."
Der Vorwurf, Kriege erschienen selbst in pazifistisch gefärbten Filmen als unabwendbares Schicksal, taucht auch in der Rezeption von Bernhard Wickis Film "Die Brücke" auf. Die jungen Soldaten, so wurde argumentiert, stürben einen Heldentod, der nur deshalb sinnlos erschiene, weil die von ihnen verteidigte Brücke strategisch unwichtig sei. Lotte Eisner, neben Kracauer eine weitere wichtige, aus Deutschland vertriebene Kritikerin der Weimarer Republik, sah in diesem Film sogar eine Glorifizierung des Hitlerjugend-Geistes. Gerade davon hatte sich Wicki in seinem Regiedebüt distanzieren wollen. Tatsächlich war das deutsche Nachkriegskino reich an erfolgreichen Kriegsfilmen gewesen, in denen die Unschuld des einzelnen Soldaten an einem zum Schicksal verkürzten Krieg beteuert wurde. Bevorzugte Spielzeit war die Endphase des Krieges, in der sich der Untergang des Regimes abzeichnet; so entging man einer Auseinandersetzung mit der Ideologie - etwa in Frank Wisbars Filmen "Haie und kleine Fische" (1957) und "Hunde, wollt ihr ewig leben" (1958). Militärtugenden konnten in diesen Filmen bruchlos überleben.
Wie bei allen Genrebezeichnungen sollte nicht vergessen werden, dass die mit ihnen verbundenen Gesetzmäßigkeiten ursprünglich einmal nicht von Produzenten oder Autoren festgeschrieben wurden, sondern von Kritikern, die bemüht waren, die Fülle der anlaufenden Filme zu systematisieren. Sie sagen nichts über die Intention der Filmemacher aus. Ist ein Film, der im Krieg spielt, automatisch ein Kriegsfilm? Erstaunlicherweise fällt dieser Begriff kaum, wenn ein Film von den historischen Kriegen Cäsars oder Napoleons handelt. In Victor Flemings Film "Vom Winde verweht" ist der amerikanische Bürgerkrieg nicht nur historischer Hintergrund, sondern Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Er motiviert maßgeblich die moralische Entwicklung der Heldin. Dennoch firmiert der Film eher als Kostüm-, Abenteuer- oder Liebesfilm denn als Kriegsfilm. So bleibt dieser Begriff meist Filmen über militärische Konflikte seit dem Ersten Weltkrieg vorbehalten - also jenen, von denen auch Realaufnahmen existieren oder die mit den Mitteln der Filmpropaganda beworben wurden.
Ähnlich dem anhaltenden Konflikt, ob es überhaupt möglich sei, innerhalb der nicht zuletzt von Schauwerten bestimmten "Kriegsfilm"-Konventionen pazifistische Inhalte zu transportieren, gibt es insbesondere in der deutschen Filmkritik anhaltende Kontroversen über die Frage, ob Propaganda Kunst sein kann. Wie sehr die deutsche Filmindustrie mit der Propaganda verbunden ist, zeigt sich schon daran, dass ihre historisch erfolgreichste Produktionsfirma, die UFA, 1917 von der Obersten Heeresleitung gegründet wurde - auch wenn sie ihren direkten patriotischen Auftrag zunächst nur noch in wenigen Produktionen wie "Das Vaterland ruft" aus demselben Jahr erfüllen konnte. Auch in Frankreich wirkte der Staat als Produzent aufwändiger Kriegsdramen. 1917 drehte Abel Gance mit Tausenden von Soldaten seinen Film "J'Accuse". Im Bewusstsein, dass diese nach Ende der Dreharbeiten wieder vom Tod bedroht sein würden, stellte Gance den Krieg als solchen in Frage: Am Ende steigen Abertausende von Kriegstoten aus ihren Gräbern und fordern Rechenschaft, ob sich ihr Opfer gelohnt habe. Ihre Körper formen vor der Kamera die Titelzeile: "Ich klage an!"
Schon zu diesem Zeitpunkt war bekannt, dass auch im Gewand der Propaganda Kunstwerke entstehen können. 1915 vollendete D. W. Griffith sein Bürgerkriegsdrama "The Birth of a Nation". Als der ursprünglich "The Clansmen" betitelte Film aufgeführt wurde, nahm er weite Teile des Publikums derart für die rassistischen Machenschaften des Ku-Klux-Klan ein, dass die Vereinigung neu gegründet wurde. Zugleich aber erneuerte das Epos die Filmsprache, indem es moderne Montagetechniken etablierte, die bis heute Anwendung finden. Dieser Film war eine unabhängige Produktion; aber auch in offizieller Propaganda können sich künstlerische Ergebnisse generieren. Dabei müssen sich Filmemacher nicht einmal in heimlicher Subversivität von ihrem Auftraggeber distanzieren.
Während des Zweiten Weltkriegs überwachte Frank Capra die Propagandafilmreihe "Why We Fight", für die zahlreiche bedeutende Hollywoodregisseure das Kriegsgeschehen filmisch umsetzten. Es entstanden dabei Meisterwerke des Dokumentarfilms wie John Hustons Kurzfilm "San Pietro" (1945). Ungeschönt dokumentiert er den Kampf amerikanischer Truppen um das italienische Bergdorf, der 1.100 Tote forderte. In der deutschen Kriegspropaganda hingegen waren eigene Verluste wie auch die Zerbombung der Städte ein Tabu. In England wiederum nutzte Humphrey Jennings in seinen Propagandafilmen wie "Diary for Timothy" intensive Kamerastudien vom Überlebenswillen der Londoner Zivilbevölkerung für emotional höchst einnehmende Filmessays.
Lediglich in Deutschland werden die Begriffe Propaganda und Kunst immer noch häufig als Widerspruch angesehen. Dieser Konflikt wurde wesentlich durch Leni Riefenstahls Position am Leben erhalten, ihre im Auftrag des NS-Regimes entstandenen Filme seien Kunstwerke und schon daher per se unpolitisch. Dagegen stand die Meinung, die propagandistische Ausrichtung schlösse jeden Kunstwert von vornherein aus. Menschenverachtende Propaganda könne keine Kunst sein. Tatsächlich aber schuf Riefenstahl Propaganda mit künstlerischen Mitteln. Indem sie Techniken der Filmavantgarde adaptierte, intensivierte sie - etwa im Parteitagsfilm "Triumph des Willens" - noch die Agitation für das Hitlerregime.
Um auf den Kriegsfilm zurückzukommen, ließe sich argumentieren: Ist nicht das mit aller Kunstfertigkeit evozierte Kriegsspektakel ein martialisches Schauspiel an sich, das keine Subversion erlaubt? Steht nicht die Schaulust, die der Kriegsfilm weckt, dem Antikriegsfilm stets entgegen?
Die berühmte Eröffnungssequenz von Steven Spielbergs Film "Der Soldat James Ryan" übertrifft an Deutlichkeit bisherige Darstellungskonventionen für Schlachtszenen. Das Ergebnis ist nicht lustvolle Opulenz, sondern ein regelrechter Schock. Allerdings sind diese Szenen nicht pazifistisch konnotiert. In Verbindung mit der anschließenden Geschichte eines heldenhaften Rettungseinsatzes leistet Spielbergs Film, was ein Kriegerdenkmal üblicherweise tut - er gedenkt der Opfer der Kriegsteilnehmer in visuell einprägsamer Form. Die Form der Heldengeschichte, in der sich der Krieg mitunter als nützlich für die charakterliche Entwicklung des Einzelnen erweist, ist in diesem Kontext durchaus erwünscht. Hollywoodproduktionen über jüngere militärische Konflikte wie Ridley Scotts Somalia-Film "Black Hawk Down" oder das im Bosnienkrieg angesiedelte Actiondrama "Im Fadenkreuz - Allein gegen alle" zeigen den Krieg auch in jüngster Zeit als Bewährungsprobe Einzelner, ohne ihn als solchen in Frage zu stellen. So wie der Pazifismus kaum noch als politische Option diskutiert wird, scheinen mit ihm auch Filme gegen den Krieg verschwunden zu sein. Das Genre "Kriegsfilm" erlebte ein Comeback.
Eine ungewöhnliche Ausnahme ist in diesem Zusammenhang David O'Russells Komödie "Three Kings". Der Kuwaitkrieg erscheint darin als gänzlich surreale Medienrealität. Erst lange nach dem Kampfeinsatz der Protagonisten, am Rande eines privaten Raubzugs, dringt ihnen die Realität allmählich ins Bewusstsein. Seit Charly Chaplins Film "Shoulder Arms" aus dem Jahre 1918 hat es immer wieder Komödien gegeben, die das Absurde militärischer Operationen herausstellten; die bekannteste ist Kubricks "Dr. Seltsam - oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben."
Dezidierte Antikriegsfilme entstanden vor allem zu jenen Zeiten, als der Pazifismus auch in der Öffentlichkeit lebendig war: zwischen den Weltkriegen (King Vidors "The Big Parade"), in der Nachkriegszeit (Wickis "Die Brücke"), während des Kalten Krieges und zum Höhepunkt des atomaren Wettrüstens: Eines der emotional bezwingendsten Beispiele ist Isao Takahatas japanischer Animationsfilm "Das Leuchtkäfergrab" (1986) über obdachlose Kinder im zerstörten Tokio. Heute hingegen ist diese Filmform fast ausgestorben. Sollte John Milius Recht behalten? In einer Zeit, da der Krieg in den meisten Industrienationen wieder als politische Option wahrgenommen wird, lässt er sich kaum durch einen Film wegwünschen. Oder doch? In einem einzigen konkreten Fall hätte es vielleicht sogar klappen können. Michael Moores Film "Fahrenheit 9/11" ist im wörtlichen Sinne ein Antikriegsfilm. Das erklärte Ziel des Filmemachers war die Abwahl der Bush-Regierung und der Abzug aus dem Irak. Oder ist Moores Film vielleicht doch einem anderen Genre zuzurechnen, dem der Propaganda? Möglicherweise. Ein Widerspruch aber wäre das nicht.
Daniel Kothenschulte ist verantwortlich für den Bereich Film im Feuilleton der "Frankfurter Rundschau".