Wo immer man dem feinen alten Herrn mit seinem weißen Schlohhaar und dem gezwirbelten Bart begegnete, spürte man: Hier muss man sich - als Zuhörer, als Diskutant oder einfach als Gesprächspartner - zusammennehmen. Craig war freundlich im Umgang, aber laues und unverbindliches Gerede mochte er nicht. Er verlangte Substanz und solides Wissen, das er selbst in überreichem Maße hatte und weitergab.
Der 1913 in Schottland geborene Historiker lebte seit Kindheitstagen in den USA, und einmal mehr sieht man an ihm das erstaunliche Phänomen, wie intensiv sich angelsächsische Historiker in die deutsche Geschichte einarbeiten, ja einfühlen und dann über sie erzählen können. Er hat mehrere große Arbeiten zur preußisch-deutschen Geschichte vorgelegt; seine vor 25 Jahren veröffentlichte "Deutsche Geschichte 1866-1945" - nicht zufällig war hier Königsgrätz der Ausgangspunkt - gilt längst als Standardwerk. Als Kenner der preußischen Geschichte hatte er sich zuvor schon mit einer Geschichte der preußisch-deutschen Armee seit dem 30-jährigen Krieg profiliert.
Craig, so hatte man den Eindruck, kam gerne nach Deutschland; viele Ehrungen wurden ihm zuteil, weit über die akademische Welt hatte er Freunde und begeisterte Leser. Am 30. Oktober ist er jetzt, kurz vor Vollendung seines 92. Lebensjahres, in Kalifornien gestorben.